Wie man im Alter geistig jung bleibt

Im fortgeschrittenen Alter zurück auf die Schulbank - warum nicht? Denn eine Studie zeigt: Wenn Seniorinnen und Senioren - eben wie in der Schule - mehrere neue Dinge gleichzeitig lernen, sind sie geistig so fit, als wären sie 30 Jahre jünger.

Um sich in der Welt zurechtzufinden, lernen kleine Kinder fast rund um die Uhr, ob sie wollen oder nicht. Das setzt sich in der Schule fort, wenn auch mitunter nicht mehr ganz so freiwillig. Viele Jahre – oft bis ins junge Erwachsenenalter – eignen sich Menschen unentwegt neue Fähigkeiten an. Danach beschäftigen sich die allermeisten Erwachsenen - abgesehen von beruflicher Weiterbildung - nur mehr selten so intensiv und ausdauernd mit neuen Inhalten und Fertigkeiten. Es fällt den meisten auch zunehmend schwerer.

Nach dem Berufsleben bzw. im Pensionsalter können sich dann nur mehr sehr wenige aufraffen, noch einmal etwas Neues zu lernen, z.B. eine Sprache oder ein Instrument – denn das erscheint vielen Menschen im fortgeschrittenen Alter schlicht als zu schwierig. Diese negative Erwartungshaltung könnte ein Fehler sein, denn Studien zeigen, dass es geistig jung hält, Neues zu lernen – am besten gleich ein paar Dinge gleichzeitig, wie die Forscher um Shirley Leanos von der University of California, Riverside in einer aktuellen Arbeit schreiben.

Geistige Verjüngung

Das Team hat dafür insgesamt 24 Probandinnen und Probanden im Alter von 58 bis 86 Jahren zurück auf die Schulbank geschickt. Diese mussten für zwei Teilstudien zwischen zwölf bzw. 15 Wochen lang drei Kurse aus fünf Fächern absolvieren: Spanisch, Zeichnen, Fotografie, Komposition und die Bedienung eines iPads. Der Aufwand betrug insgesamt etwa 15 Wochenstunden. Der Unterricht war möglichst abwechslungsreich gestaltet mit Übungen, Gruppenarbeiten und Hausübungen. Zusätzlich gab es wöchentliche Nachbesprechungen mit den Lehrenden, um den Lernprozess zu begleiten.

Ob und wie sich das Lernprogramm auf die geistige Fitness auswirkte, wurde mit standardisierten Tests untersucht. Dabei wurde der persönliche Fortschritt erfasst und die Leistung mit Kontrollgruppen unterschiedlichen Alters verglichen.

Tatsächlich gab es - zum Teil schon während der mehrwöchigen Intervention - nicht nur Erfolge bei den eigentlichen Lerninhalten, sondern auch messbare Verbesserungen in allen von den Forschern gemessenen kognitiven Bereichen: beim Arbeitsgedächtnis – dort merkt man sich Fakten kurzfristig, z.B. eine Telefonnummer; beim episodischen Gedächtnis – in diesem ist beispielsweise abgespeichert, wo man sein Auto geparkt hat; bei der kognitiven Kontrolle – die ist unter anderem wichtig, wenn man zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herwechseln muss. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schnitten überall umso besser ab, je länger sie sich dem Lernstoff gewidmet hatten. Insgesamt waren sie geistig so fit wie eine um etwa 30 Jahre jüngere Vergleichsgruppe.

Aktiv und unabhängig

Neben diesen messbaren Effekten dürfte das intensive Lernprogramm aber auch anderweitig nützlich sein, wie ergänzende Befragungen ergaben: Die anspruchsvolle Beschäftigung hole einen raus aus der Routine und der persönlichen Komfortzone. Besonders durch die kreativen Fächer fühlten sich einige Probanden angeregt, Dinge auf neue Art zu sehen oder zu hören. Der iPad-Kurs hat manchen neue Zuversicht bei technischen Geräten gegeben.

Viele waren zudem angenehm überrascht angesichts der persönlichen Fortschritte. Und sie hatten am Ende generell weniger Angst vor neuen Inhalten. Diese motivierenden Aspekte könnten den Forschern zufolge eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit spielen. Dafür brauche es natürlich von vornherein die Bereitschaft, Neues lernen zu wollen - was auch von der aktuellen Lebenssituation abhängt, etwa vom Einkommen und der Gesundheit. Aber es zahle sich in jedem Fall aus, auch im fortgeschrittenen Alter geistig aktiv zu bleiben: Denn wer immer noch Neues lernt, könne im Alltag viel länger unabhängig bleiben.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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