Welche Chancen haben Klimaklagen?

Die Folgen des Klimawandels können Menschen direkt treffen, z.B. eine Gegend unbewohnbar machen, weil der Meeresspiegel steigt. Das wird auch rechtlich ein Thema. Weltweit gibt es mittlerweile Klimaklagen. Noch sind sie nicht sehr erfolgreich, wie ein europäischer Fall zeigt.

Zehn Familien sind vor das Europäische Gericht gezogen: Familien aus EU-Staaten, Kenia und Fidschi sowie eine Jugendorganisation aus Schweden. Sie alle bringen vor, von Folgen des Klimawandels bedroht zu sein: Zum Beispiel die Familie Feschet aus der Provence im Süden Frankreichs, sie lebt vom Lavendel. Infolge des Klimawandels – d.h. steigender Temperaturen und veränderter Niederschlagsmuster – wird der Anbau für sie immer schwieriger, er lohne sich kaum noch.

Rechtliche Basis

Auf welcher Basis man klagen kann, schildert die Juristin Eva Schulev-Steindl von der Universität Graz im Gespräch mit science.ORF.at, sie betreut beim Europäischen Forum Alpbach gemeinsam mit anderen das Seminar zur „Low Carbon Gesellschaft“: „Die Familien berufen sich auf höherrangiges Recht. Völkerrechtlich ist das der Pariser Klima-Vertrag (Darin hat sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet, deutlich unter dem 2-Grad-Ziel zu bleiben und idealerweise 1,5 Grad anzustreben, Anm.). Man setzt auf die Verpflichtungen im Pariser Vertrag und argumentiert, die Europäische Union müsste alles technisch und ökonomisch Mögliche tun, um dieses 2-Grad-Ziel zu erreichen und entsprechend ambitionierte Klimapolitik zu setzen.“

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 14.8. um 13:55

Die Klage der zehn Familien ist umfangreich und versucht neben dem Völkerrecht auch EU-Recht geltend zu machen. Kurzgefasst lautet die Argumentation: Die EU-Klimaziele für das Jahr 2030 reichen nicht aus, um die Folgen des Klimawandels abzuwenden. „Man versucht das mit Zahlen zu untermauern – z.B. mit dem Emissionsbudget, das die Welt nach Berechnungen insgesamt noch zur Verfügung hat. Da lautet die Linie: Wenn wir das noch maximal verbrauchen dürfen, reichen diese Rechtsakte nicht aus und das Ziel ist zu wenig ambitioniert“, so Schulev-Steindl.

Gescheitert in erster Instanz

Im Mai scheiterte die Klage vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg (Zusammenfassung der Rechtsmittelschrift). Die Begründung: Es gebe viele andere Menschen, die von der Klimakrise betroffen sind; das stehe im Widerspruch zum Grundprinzip der Grund- und Menschenrechte, die jeder und jedem Einzelnen Schutz gewähren.

Angesprochen auf den Hintergrund der Klageabweisung meint Schulev-Steindl, das könne ein Versuch sein, solche Klagen abzuwehren: „Man hat immer Angst, dass jetzt jeder kommt und dass man überflutet wird.“

Zweiter Versuch

Im Juli sind die zehn Familien vor den Europäischen Gerichtshof EuGH gezogen. Mit welchen Chancen rechnet die Spezialistin? „Ich würde sagen 30 Prozent dass ihnen recht gegeben wird.“

Wobei das die Juristin nicht auf den Inhalt der Klage zurückführt, sondern auf eine Formalität. Das hat mit der „Plaumann-Formel“ zu tun: Man muss – sehr kurz und vereinfacht gefasst - individuell betroffen sein . Das mögen die zehn Familien zwar sein, aber das Gericht ließ das in erster Instanz nicht gelten. Fraglich ist nun, ob der EuGH das anders auslegt. Falls der EuGH der Klimaklage nicht recht gibt, dann könnten die Familien eventuell noch einzelne Staaten klagen. Wie auch immer der EuGH entscheidet: Das Signal wäre wegweisend.

Barbara Daser, ORF-Wissenschaft Radio & Online

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