„Armut macht immer noch krank“

Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Die Ausgaben für Gesundheit und Soziales sind hoch - doch auch ein hoch entwickeltes Gesundheitssystem mit universellem Zugang garantiert noch keine Gleichheit.

Auf „Liberté, Egalité, Santé“ wandelten die Organisatoren der diesjährigen Alpbacher Gesundheitsgespräche den Wahlspruch von Französischer Revolution und Aufklärung etwas ab. Gleichwohl sei aus aktuellen Daten anderes abzulesen, wie Martin Schenk von der Diakonie Österreich betont. Beträchtliche Unterschiede gebe es hierzulande etwa bei gesundheitlichen Belastungen – sie reichen von schimmligen Wohnungen, Luft- und Lärmbelastung bis hin zu Prekarität, Stress und fehlender sozialer Anerkennung.

Grafik: Armut erhöht Gesundheitsrisiken

APA

Auch bei der gesundheitlichen Versorgung durch die Krankenversicherung, bei Selbstbehalten und Wartezeiten auf Fachärzte sei man von gesellschaftlicher Gleichheit entfernt, sagt Schenk: „Diese Faktoren sind eng mit einander verwoben."

Vor allem Ältere betroffen

Nun möge, so Schnenk, gerade das österreichische Gesundheitswesen mit einem Anteil von knapp unter hundert Prozent bei den Menschen mit prinzipiell gleichem Zugang zu Leistungen über die gesetzliche Krankenversicherung im internationalen Vergleich zu den egalitärsten Systemen gehören. Doch weiterhin mache Armut in Österreich offenbar krank - und ein funktionierendes Gesundheitssystem allein noch nicht gesund.

„43 Prozent der Personen mit niedrigem Einkommen haben ein chronisches Gesundheitsproblem, bei Personen mit hohem Einkommen ist das nur zu 33 Prozent der Fall“, so Schenk gegenüber der APA. "Dieser sozioökonomische Unterschied ist in jungen Jahren noch nicht so relevant. Ab einem Alter von 40 Jahren zeigt er sich aber deutlich.“

Lebenserwartung bis zu zehn Jahre geringer

Krankheiten kommen zumeist nicht allein - auch hiervon sind vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten betroffen. Ein Beispiel aus aktuellen Statistiken: In der Altersgruppe der 40- bis 64-Jährigen haben 21 Prozent der Menschen mit niedrigem Einkommen mit mehreren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Bei mittlerem Einkommen sind es acht Prozent, bei hohen Einkommen gar nur vier.

Obdachloser Mann auf der Straße

APA/BARBARA GINDL

Die Lebenserwartung von obdachlosen Menschen ist besonders niedrig

Von Armut betroffene Menschen sterben Schenk zufolge „um zehn Jahre früher als Rest der Bevölkerung, bei Wohnungslosen macht der Unterschied sogar 20 Jahre aus.“ Diese Tendenz zeige sich vor allem bei Männern, so der Mitbegründer der Armutskonferenz. „Diese enorme Einschränkung der Lebenserwartung betrifft in Österreich fast 270.000 Menschen oder 3,2 Prozent der Bevölkerung." Das entspreche in etwa der Bevölkerung von Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs.

Sozial unter Druck und damit auch gesundheitlich benachteiligt sind laut Schenk vor allem vier Gruppen: junge Familien, Menschen mit hohen Belastungen durch das Wohnen, chronisch Kranke ab dem 40. Lebensjahr mit Einkommensausfällen - sowie ältere Arbeitslose in der Altersgruppe über 50.

science.ORF.at/APA

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