Rätsel um deformierte Schädel gelöst

In Kroatien haben Forscher die Skelette von Jugendlichen aus der Völkerwanderungszeit entdeckt - mit länglichen, sonderbar verformten Schädelknochen: Wurden die Köpfe künstlich deformiert? Und wenn ja: zu welchem Zweck?

Eine Studie von Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien bringt nun Licht in die Angelegenheit. „Die drei Jugendlichen wurden offensichtlich zur selben Zeit begraben. Irgendwann zwischen dem Jahr 415 und 560, wie die Radiocarbon-Datierung eines der Knochen zeigt“, sagt Pinhasi. Pflanzenreste und Scherben von Töpfen, die wohl von Beigaben stammen, deuten auf ein reguläres Begräbnis hin.

Länglicher Menschenschädel

D. Los/Kaducej Ltd

Der langgezogene Schädel bei der Ausgrabung

Die Forscher um Pinhasi und seinen kroatischen Kollegen Mario Novak fanden keine Spuren eines gewaltsamen Todes an den in Osijek im Osten Kroatiens entdeckten Knochen. Wohl aber Anzeichen, dass die drei Teenager (sie waren laut Studie zwischen zwölf und 16 Jahre alt) einen miserablen Gesundheitszustand aufwiesen. Daran war wohl starke Mangelernährung in ihren ersten Lebensjahren schuld, meinen die Forscher. Hungersnöte waren in dieser Zeit in Europa sehr häufig.

Verformung durch Bretter und Bandagen

Was den sonderbare Schädelwuchs angeht, handelt es sich laut den Forschern tatsächlich um das Ergebnis einer gezielten Verformung. Diese Sitte war in historischen Zeiten in einigen Kulturen üblich, etwa bei den Völkern der Maya und Inka, bei den zentralafrikanischen Mangbetu – und nicht zuletzt auch in Europa. "Die Ergebnisse legen nahe, dass die künstliche Schädeldeformation dazu diente, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten kulturellen Gruppe sichtbar zu machen“, sagt Novak.

Computertomografische Aufnahme eines Schädels

M. Cavka/University Hospital Centre Zagreb

CT-Scan des Schädels

Dazu werde schon im Kindesalter Druck auf die Schädelknochen ausgeübt, damit sie eine bestimmte Form annehmen. Bei einem der Jugendlichen sei dies mit einem Brett an der Oberkante der Stirn erreicht worden, sodass der Schädel vorne abgeflacht und nach hinten verformt war. Beim anderen wurde dieser wahrscheinlich mit rundum gewickelten Bandagen stark nach oben hin verlängert. Der dritte Schädel weist keine Spuren eines solchen Eingriffs auf.

DNA-Analyse: Herkunft geklärt

Die drei Jugendlichen waren wohl Hunnen, Ostgoten oder gehörten zum ostgermanischen Stamm der Gepiden, schreiben die Forscher in ihrer Studie. Die DNA aus den alten Knochen zeige indes, dass die drei aus völlig unterschiedlichen Regionen der damaligen Welt stammen, nämlich aus Westeuropa, Ostasien und dem Nahen Osten. „Diese Gruppen standen zu dieser Zeit in der Pannonischen Tiefebene miteinander in regem Kontakt“, sagt Novak. Womit einmal mehr belegt ist: Die Völkerwanderung hinterließ auch im europäischen Gen-Pool bleibende Spuren.

science.ORF.at/APA

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