Placeboeffekt ist übertragbar

Wenn Patienten und Patientinnen durch Scheinmedikamente gesund werden, nennt man das Placeboeffekt. Dieser wirkt laut neuer Studie auch bei Ärzten und Ärztinnen: Glauben sie an ein eigentlich wirkungsloses Mittel, überträgt sich das auf die Patienten – und das Mittel wirkt.

Die Überzeugung der Ärztinnen und Ärzte spiegle sich in ihrem Gesichtsausdruck wider, berichten Psychologen im Fachmagazin „Nature Human Behaviour“. Die Ergebnisse könnten hilfreich für eine bessere Arzt-Patienten-Kommunikation sein.

Glaube an Placebo versetzt Berge

Das Team um Luke Chang vom Darmouth College in den USA hatte eine Testreihe mit 194 Freiwilligen durchgeführt. In drei Versuchsreihen wurde den Teilnehmenden eine Rolle als „Arzt“ oder „Patient“ zugewiesen. Die „Ärzte“ wurden informiert, dass es in dem Experiment um die Wirkung einer Schmerzsalbe gehe, die auch gleich demonstriert wurde: Elektroden wurden an den Unterarmen der falschen Mediziner platziert, auf 47 Grad erhitzt und lösten so einen Schmerzreiz aus.

Anschließend trugen die Versuchsleiter eine Creme namens „Thermedol“ auf, von der gesagt wurde, dass sie stark schmerzlindernd wirke. In Wahrheit wurde lediglich die Temperatur der Elektroden heruntergeregelt, die Creme selbst war ein Placebo, ein wirkungsloses Scheinmedikament.

Im nächsten Schritt sollten die falschen Ärzte „Thermedol“ und eine Kontrollcreme in einem ähnlichen Setting an Patienten testen. Beide Cremes waren Placebos - dennoch empfanden die Patienten bei gleichem Schmerzreiz „Thermedol“ als hilfreicher. Dies zeigte sich nicht nur in ihren Aussagen, sondern auch in der Analyse ihres Gesichtsausdrucks sowie ihrer Hautreaktion. Zudem bewerteten sie die „Ärzte“ als einfühlsamer, wenn diese „Thermedol“ auftrugen.

Kamera zeigt, wie sich Gesichtsausdruck verändert

Glaubten die falschen Mediziner also selbst an die Wirksamkeit der schmerzlindernden Creme, empfanden ihre Patienten wirklich weniger Schmerzen. Kameras auf den Köpfen der Patienten gaben Hinweise auf die Ursache des Effekts: Die Aufnahmen ließen kleinste Veränderungen im Gesichtsausdruck der behandelnden „Ärzte“ erkennen. Sie zeigten mehr Schmerz, wenn die sogenannte Kontrollcreme aufgetragen wurde als bei der vermeintlich effektiven „Thermedol“-Creme.

Ärzte sendeten also offenbar nonverbale Informationen, die ihre Überzeugung ausdrückten, welche Behandlung sie für sinnvoll erachten, erläutern die Forscher. Möglicherweise behandle ein Arzt den Patienten auch aufmerksamer und einfühlsamer, wenn er von einer wirksamen Therapie ausgehe.

Klinische Experimente sollten folgen

In einem unabhängigen Kommentar nennt der deutsche Psychologe Harald Walach, die Studie elegant und stark. Insbesondere der Einsatz der Kopfkameras sei aufschlussreich: Er zeige, dass oft vermutete, bisher aber nicht belegte subtile Veränderungen der Mimik von Patienten wahrgenommen würden.

„Ob dies nur das Selbstvertrauen der Patienten stärkt, Informationen darüber vermittelt, was sie zu erwarten haben, die Ärzte einfühlsamer gegenüber der vermeintlich realen Behandlung macht oder eine andere Auswirkung hat, wissen wir nicht“, führt Walach aus. „Aber wir wissen jetzt, dass subtile Hinweise von Ärzten übermittelt und von Patienten gelesen werden.“

Bei allen Stärken der Studie handele es sich aber um ein experimentelles Setting, so Walach. „Es wäre interessant, jetzt das klinische Feld zu untersuchen: Wie kommunizieren effektive Ärzte, vielleicht im Vergleich zu weniger effektiven?“ Auch wäre zu untersuchen, ob wirklich nur der Gesichtsausdruck der Ärzte entscheidend sei oder doch die Kombination mit verbalen Informationen.

science.ORF.at/dpa

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