„New Horizons“ blickt zurück

Vor mehr als vier Jahren hat die NASA-Raumsonde „New Horizons“ Pluto passiert. Ein Ende der Rundreise durch das äußere Sonnensystem ist derzeit nicht abzusehen. In den vergangenen Wochen wurde die Sonde umgedreht, für einen Blick zurück ins Sonnensystem.

Pluto ist noch ein Planet, als “New Horizons“ ihre jahrzehntelange Reise beginnt, die sie zum mittlerweile zum Zwergplaneten degradierten Pluto und darüber hinaus führen soll. „Die wissenschaftlichen Instrumente an Bord sind in einem fantastischen Zustand“, freut sich Alice Bowman vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland. „Wir haben 2004 damit begonnen, die Sonde zu bauen, und noch immer funktioniert alles einwandfrei.“ Der Grund: „Technische Geräte altern auf der Erde schneller als im Vakuum des Weltraums“, erklärt die Operationsmanagerin von “New Horizons“. Und deswegen gehe es der Sonde heute noch so gut.

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmen sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 11.12. um 13.55 Uhr.

Und so kam Alice Bowman vor wenigen Wochen die Idee, die Sonde doch einfach einmal umzudrehen. Dazu musste zunächst ihre Eigendrehung gestoppt werden. Normalerweise rotiert „New Horizons“ fünfmal in der Minute um die eigene Achse. So kann sie stabil durchs All fliegen. Im August haben Techniker der US-Raumfahrtbehörde NASA die Rotation der Sonde aber angehalten und sie „drei-achsen-stabilisiert“, wie es in der Ingenieurssprache heißt. Sie stand also quasi still. “Ich würde nicht sagen, dass das Routine war, denn im All ist alles möglich“, schmunzelt Bowman. Aber die NASA-Ingenieure hätten solche Umstellungen schon öfter vorgenommen. „Wir wissen, worauf wir achten und wonach wir Ausschau halten müssen.“

Ein schiefer Blick von außen

Ausschau halten sollte „New Horizons“ nach den Planeten Uranus und Neptun sowie nach dem Neptun-Mond Triton. Statt also wie bisher den Blick nach vorne in den Kuipergürtel voller Asteroiden, Klein- und Zwergplaneten zu richten, hat die Sonde sich quasi umgedreht und zurückgeschaut – dorthin, wo sie einst herkam.

New Horizons kommt auf seiner Reise Richtung Pluto an Jupiter vorbei (2007)

Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute (JHUAPL/SwRI)

New Horizons kommt auf seiner Reise Richtung Pluto an Jupiter vorbei (2007)

„‘New Horizons‘ konnte zurückblicken auf Uranus, Neptun und Triton, weil sie sich an einer einzigartigen Position im Sonnensystem befindet“, erklärt Hal Weaver, Projektwissenschaftler für die Mission, ebenfalls vom Applied Physics Laboratory. Denn den Blick von außen zurück können Astronomen auf der Erde nicht simulieren. Hier sehen Wissenschaftler immer die von der Sonne beschienene Seite dieser Himmelskörper. „New Horizons“ konnte aber auf deren Nachtseiten blicken. Außerdem fliegt sie 90 bis 100 Grad geneigt gegenüber der Ebene des Sonnensystems, auf der alle Planeten liegen, hat also sozusagen einen schiefen Blick von oben auf diese drei Objekte.

Was liegt unter den Wolken?

Der Blick auf die Nachtseite ermöglicht es den Instrumenten an Bord von „New Horizons“, die Zusammensetzung der Atmosphären von Uranus, Neptun und Triton zu untersuchen, die beim Blick von der Erde aus ständig von der Sonne überstrahlt werden. Die Eisgiganten Uranus und Neptun haben eine sehr dicke Atmosphäre. Sie besteht vor allem aus Wasserstoff. „Wir wollen wissen, wie diese Atmosphäre das Sonnenlicht streut“, sagt Hal Weaver. Denn aus der Streuung des Sonnenlichts in der Atmosphäre lassen sich Rückschlüsse auf die Landschaften darunter ziehen, ob die Oberfläche beispielsweise flach oder gebirgig ist.

„Solche Beobachtungen sind nicht einfach“, gibt der US-Forscher zu Bedenken. Weder von Uranus noch von Neptun hätte „New Horizons“ aus der Entfernung detaillierte Fotoaufnahmen liefern können. Uranus ist 55-mal weiter von der Raumsonde entfernt wie die Erde von der Sonne. Der Planet ist sogar näher bei der Erde als bei „New Horizons“. „Und trotzdem können wir ihn mit den empfindlichen Instrumenten noch aus der Ferne untersuchen“, freut sich Weaver über die erfolgreich zu Ende gegangene Messkampagne.

Raumsonde mit vollem Terminkalender

Kaum hatte die Sonde einige der Planeten und Monde des äußeren Sonnensystems untersucht, haben die Ingenieure sie wieder gedreht, diesmal seitlich: Der Kleinplanet Quaoar war im September Ziel von Beobachtungen. Seine Umlaufbahn liegt ungefähr auf der Höhe der derzeitigen Position von „New Horizons“, aber seitlich versetzt.

Dünen auf Pluto

NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Dünen auf dem Pluto. Der Zwergplanet war das ursprüngliche Ziel von New Horizons.

Die Ergebnisse all dieser Messungen sind noch nicht auf der Erde eingetroffen. Und die nächste Beobachtungsrunde beginnt jetzt im Dezember mit 2011 JX31. Dabei handelt es sich um einen Kleinplaneten, der erst vor acht Jahren entdeckt wurde. Er umrundet die Sonne alle 300 Jahre einmal. Und es dürfte eines der ältesten Himmelskörper im Kuipergürtel sein. Im Juni wird „New Horizons“ in nur 60 Millionen Kilometer Entfernung an diesem Kleinplaneten vorbeifliegen. Unter kosmischen Maßstaben ist das sehr nah. „Wir hoffen auf hochaufgelöste Aufnahmen“, so Weaver. „Vielleicht entdecken wir sogar, dass 2011 JX31 von Monden umkreist wird.“ Die jahrzehntelange Mission von „New Horizons“ ist also noch lange nicht zu Ende – und dürfte sich noch bis weit in die 2020er Jahre hinein erstrecken.

Guido Meyer, Ö1-Wissenschaft

Mehr zum Thema: