Die älteste Höhlenkunst der Welt

Archäologen haben auf der Insel Sulawesi die bisher ältesten Höhlenmalereien des modernen Menschen entdeckt. Auf den 44.000 Jahre alten Zeichnungen sind seltsame Mischwesen von Tier und Mensch zu sehen - Belege spirituellen Denkens?

„So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Bilder erzählen eine Geschichte. Sie haben alle Anzeichen hochentwickelter Höhlenkunst – das ist wirklich erstaunlich.“ Maxime Aubert ist kein Neuling in diesem Fach, doch seine letzte Entdeckung ist für ihn Anlass, alles neu zu überdenken. Seine Fragen betreffen den Urgrund menschlicher Kultur: Wann und wo entstanden die ersten Kunstwerke der Welt? Und wie begann das alles?

Vor ein paar Jahren hätte die Antwort noch gelautet: Die ältesten Höhlenmalereien stammen aus Europa. Zunächst haben Urmenschen abstrakte Muster auf die Höhlenwände gezeichnet, im Lauf der Jahrtausende wurden die Darstellungen dann realistischer, mit Tieren und Menschen – so, wie man das etwa aus der weltberühmten Höhle von Altamira kennt.

Asiatische Urspünge

Seit 2014 gilt das nicht mehr. In diesem Jahr präsentierte der Archäologe von der australischen Griffith University der verblüfften Weltöffentlichkeit 40.000 Jahre alte Handabdrücke aus einer Kalksteinhöhle auf Sulawesi, Indonesien. Die eurozentrische Geschichtsschreibung hatte sich damit erledigt, denn ältere Höhlenmalereien sind aus Europa nicht bekannt, im Gegenteil, die allermeisten sind deutlich jünger.

Und was die abstrakten Anfänge der Kunst betrifft, krempelt Aubert die Geschichte nun ebenfalls um. In einer weiteren Höhle auf Sulawesi ist er auf Malereien gestoßen, die sich nach radiometrischen Untersuchungen nicht nur als die ältesten des modernen Menschen erweisen, sondern auch eine erstaunlich realistische Szene zeigen: acht Menschen, die mit Speeren Jagd auf Schweine und Rinder (höchstwahrscheinlich Sulawesi-Pustelschweine und Flachland-Anoas) machen.

Höhlenmalerei zeigt laufende Rinder

A. Brumm, A.A. Oktaviana, R. Sardi

Auberts letzter Fund: eine Jagdszene, gemalt vor 44.000 Jahren

Das ist zumindest eine mögliche Lesart. Bei den Speeren könnte es sich freilich auch um Seile handeln, sagte Aubert gegenüber dem ORF. „Falls das so ist, würde das bedeuten: Die Tiere wurden nicht gejagt, sondern nur gefangen. Ich halte es für möglich, dass der moderne Mensch schon vor 44.000 Jahren Tiere domestiziert hat.“

Menschen mit Tierköpfen

Fragen werfen auch die Jäger in der dargestellten Szene auf. Sie haben menschliche Gestalt, aber manche Körperteile stammen offenbar von Reptilien und Vögeln – „Therianthropen“ nennen die Forscher diese Mischwesen zwischen Tier und Mensch. Für Aubert ist das ein eindeutiger Hinweis, dass der Glaube an Übernatürliches damals schon präsent war. Sofern ihm die Fachwelt bei dieser Deutung zustimmt, wären die Darstellungen auch die ältesten Belege spirituellen Denkens.

Offen bleibt, ob diese Art von Höhlenkunst vielleicht doch aus einfacheren Formen hervorgegangen ist. Falls ja, muss es irgendwo noch deutlich ältere Zeichnungen geben. Aubert wird seine Suche fortsetzen. Rund um den Fundort, in der Karstregion Pangkeb, gibt es Tausende Höhlen, die meisten davon sind noch unerforscht.

Robert Czepel, science.ORF.at

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