Wie all das Plastik ins Meer gelangt

Selbst in entlegensten Regionen der Weltmeere findet sich Plastikmüll. Das meiste davon stammt von Land, glaubte man: Doch tatsächlich wird wohl ein beträchtlicher Anteil von Schiffen ins Meer gekippt - und zwar illegal.

Etwa 350 Millionen Tonnen Plastik werden weltweit jährlich produziert (Quelle: Statista, 2017). Das Material ist schwer verrottbar, aber sehr leicht – deshalb findet man es heute eigentlich überall, selbst in den entlegensten Weltgegenden. Besonders belastet sind die Meere. Dort sammeln sich die Überreste in Strömungswirbeln, wie etwa dem Great Pacific Garbage Patch, oder sie landen in Rekordmengen auf Inseln fernab der Zivilisation.

Plastikflaschen, Kunststoffteile: Müllberge am Sandstrand

APA/AFP/Issouf SANOGO

Strand in der Nähe von Abidjan, Elfenbeinküste

Woher stammt eigentlich all der Müll in den Ozeanen und auf fernen Inseln? Das zu wissen, wäre wesentlich für eine wirksame Schadenbegrenzung, betonen die Forscher um Peter G. Ryan von der südafrikanischen University of Cape Town in einer neuen Studie. Derzeit gehe man davon aus, dass das meiste – nämlich ca. vier Fünftel – eigentlich vom Festland kommt und nur auf indirektem Weg ins Meer gelangt, z.B. über Flüsse. Belege für diese Menge gebe es aber kaum, wie die Autoren schreiben.

Vor allem Einwegflaschen

Also haben sie nun den Plastikmüll auf einer solchen einsamen und abgelegenen Insel genauer unter die Lupe genommen, nämlich auf Inaccessible Island im zentralen Südatlantik. Dazu untersuchten sie angeschwemmten Plastikmüll aus dem Jahr 2009 (3.515 Teile) und von 2018 (8.084 Teile) und verglichen diese mit Zählungen aus den 1980er Jahren. Besonders die Überreste eines bestimmten Produkts nahmen seitdem am meisten zu: PET-Flaschen für Getränke (meist Wasser oder Softdrinks). Die Menge wuchs seit 1980 jährlich um fast 15 Prozent (der gesamte Plastikmüll um sieben Prozent). Das ist wenig überraschend, immerhin werden jährlich (2016) weltweit ca. 480 Milliarden PET-Flaschen verkauft.

Chinesische PET-Wasserflaschen

Peter G. Ryan

Chinesische PET-Flaschen auf Inaccessible Island - so verändern sie sich in drei Jahren.

Bei der Herkunftsanalyse haben die Flaschen einen Vorteil: Etikettenreste oder andere Markierungen geben Hinweise auf den Ursprung. Aus Datumsstempeln lässt sich schließen, wie lang sie ungefähr unterwegs waren. So konnten die Forscher ermitteln, dass noch in den 1980er Jahren zwei Drittel der Plastikflaschen aus dem relativ nahe gelegenen Südamerika stammten. 2009 war bereits die Hälfte aus Asien, 2018 kamen von dort ganze drei Viertel der gestrandeten Flaschen, der Großteil aus China. Außerdem waren die allermeisten nicht einmal zwei Jahre alt.

Illegale Entsorgung

Warum aber landen so viele chinesische Flaschen auf der weit entfernten südatlantischen Insel? Mit Handel könne das nicht erklärt werden, schreiben die Forscher. Weder nach Südamerika noch nach Afrika werde sehr viel chinesisches Wasser exportiert. Außerdem findet sich auf den neueren PET-Flaschen asiatischen Ursprungs kaum Muschelbewuchs – ein Zeichen dafür, dass sie nicht sehr lange im Wasser gewesen sein können.

Das alles lasse nur einen Schluss zu, schreiben die Autoren: Die Flaschen stammen von Handelsschiffen, die ihren Müll im Meer entsorgen – illegalerweise, denn eigentlich ist die Entsorgung von Plastikmüll auf hoher See seit 1989 auf Basis eines internationalen Abkommens (MARPOL) verboten. Tatsächlich hat die kommerzielle Schifffahrt zwischen Südamerika und Asien in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Fast sieben große Schiffe kommen täglich an Inaccessible Island vorbei.

Maßnahmen gefragt

Die Schuldigen zu finden, sei aber schwierig bis unmöglich, meint Lars Gutow vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC): „Dies wäre wahrscheinlich nur durch Beobachter an Bord der Schiffe möglich.“ Auch Gutow hält die Schifffahrt für eine bisher unterschätzte Plastikmüllquelle.

PET-Flasche schwebt unter Wasser

REUTERS/Antonio Bronic

Seit den 1980er Jahren landen zunehmend PET-Flaschen in den Weltmeeren.

Die Forscher um Peter Ryan, der eigentlich Seevogelexperte ist und sich nur gezwungenermaßen mit Plastik beschäftigt, erhoffen sich dennoch wirksame Maßnahmen gegen die illegale Müllentsorgung auf hoher See. Auch die Erzeuger sollten stärker zur Verantwortung gezogen werden, schreiben sie. Und wie der Meeresbiologe Martin Thiel gegenüber dem SMC meint, zeige die Studie einmal mehr: „Einwegplastik ist nicht umweltverträglich, nicht bei Getränkeflaschen, aber auch nicht bei anderen Alltagsprodukten. Wir sollten wieder verstärkt Mehrwegprodukte nutzen.“

Eva Obermüller, science.ORF.at

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