Einzigartige Garnison in Carnuntum entdeckt

Aufsehenerregender Fund in der alten Römerstadt Carnuntum: Forscher haben in Niederösterreich die Überreste eines Militärlagers entdeckt, in dem einst die Garde des römischen Statthalters wohnte. Die Anlage gilt weltweit als einzigartig.

Über den Ruinen von Carnuntum liegen heute Äcker und kleine Dörfer - aber zur Römerzeit lebten dort fast einhunderttausend Menschen, also ungefähr so viele wie heute in Klagenfurt.

Carnuntum war nämlich eine bedeutende römische Stadt, wie auch der neue Fund wieder bekräftigt. Rund um Christi Geburt ist Carnuntum nur ein großes Militärlager, dann wächst es langsam zur Stadt aus. Zwischen 103 und 107 n. Chr. schließlich wird die Provinz Pannonien abgetrennt und Carnuntum zu deren Hauptstadt.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Ö1 Mittagsjournal am 30.3. um12:00.

Zu dieser Zeit wird ein neuer Verwaltungsbezirk angelegt und auch der Palast des Statthalters. Den Komplex in der Umgebung um diesen Palast kann man jetzt das erste Mal vollständig sehen, erklärt Klaus Löcker von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, die gemeinsam mit dem Ludwig-Boltzmann-Institut die neuen Daten erhoben hat.

Funde ohne Ausgrabungen

Die Forscher aus Wien haben jetzt erstmals fast das gesamte Gebiet Carnuntums mit modernen Methoden vermessen. Damit kann man auch ohne einen einzigen Spatenstich unter die Erde schauen. Einen groben Überblick bringt dabei die Geomagnetik: die Sensoren messen Abweichungen im lokalen Magnetfeld der Erde, die etwa durch Mauerreste oder abgebrannte Häuser entstehen.

Weitere Details und dreidimensionale Strukturen erkennen die Forscher und Forscherinnen dann mit dem Georadar, das elektromagnetische Wellen aussendet, die von unterschiedlichen Materialien oder Hohlräumen unterschiedlich reflektiert werden.

Dadurch werden die 3D-Modelle möglich, mit denen die Forscher jetzt diesen ersten neuen Fund veranschaulichen.

Wirklich die Garnison des Statthalters?

Dass es das Lager der Garde des Statthalters ist, gilt als sehr wahrscheinlich. Einerseits ist durch den Aufbau der Häuser klar ist, dass es sich um Soldatenbaracken handelt: Mehrere kleine fast quadratische Räume, oft auch ohne Fenster in der Mitte des Baus, boten für jeweils zwei Soldaten einen Schlafplatz. Die Baracken haben an beiden Längsseiten einen verandaartigen Vorbau und zwei Offizierswohnungen an der Spitze. Ungewöhnlich sei, dass die Veranden keine Porticus – also Säulengänge – zu haben scheinen.

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Rekonstruktion: Die Römerstat Carnuntum und der neue Fund - die Kasernen der Statthaltergarde. (c) 7reasons / LBI ArchPro

Das Lager ist auch nicht hin zum Limes – zum Grenzgebiet, in diesem Fall zur Donau – ausgerichtet, sondern schaut auf den Verwaltungsbezirk der Stadt und Provinz. Es fehlen auch die üblichen Verteidigungstürme, und auch die direkte Nähe zum Statthalterpalast lässt den Schluss zu, dass es sich um die Garde des Statthalters handelt.

Die Kaserne der Garde eines Statthalters einer Provinz gilt dabei als Seltenheit. Eine gut erhaltene ähnliche Garnison ist bisher etwa in London – oder vielmehr „Londinium“ - bekannt. Einzigartig in Carnuntum ist aber der gesamte Komplex mit Garnison, Badehaus, Trainingsplatz und Statthalterpalast.

Forschen mit dem Quadbike

Möglich wurde der neue Fund nur, weil Löcker und Kollegen über drei Jahre hinweg jeden Sommer und Herbst das unterirdische Carnuntum vermessen haben. Früher kaum möglich, als man Geräte wie das Georadar noch per Hand über die Erde schieben musste.

Heute arbeiten die Forscher – schon wie in ihrem sensationellen Projekt in Stonehenge - mit größeren Systemen aus mehreren Geräten, die motorisiert bewegt werden können, erklärt Löcker: „Jetzt sitzen wir auf Quadbikes oder in Traktoren und fahren die Geräte übers Feld. Wir können dadurch viel breitere Systeme bauen, mehr auf einmal messen, und auch schneller sein. Es ist sonst nicht möglich siebeneinhalb Quadratkilometer zu messen, das geht nicht.“

Jetzt werten die Teams die neuen Daten weiter aus, und erstellen 3D-Modelle und Bilder, um Carnuntum mit seinen Kasernen und altrömischen Palästen wieder zum Leben zu erwecken. Archäologe Löcker rechnet im Zuge der Auswertung übrigens mit noch weiteren Neuentdeckungen.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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