„Forscher haben nichts zu verlieren“

Wissenschaft und Politik - geht das zusammen? Hierzulande blicken Forscher gerne mit Skepsis auf die Politik. Der britische Physiker Peter Knight sieht das anders. Sein Rat an Fachkollegen: „Dialog statt Kampf“.

Eine „erkenntnisbasierte Politik“ statt einer „politikbasierten Erkenntnis“ - das ist es, was die Wissenschaft brauche, und daran müsse sie mitarbeiten, so der ehemalige Rektor des Imperial College in London, der immer wieder die britische Regierung in wissenschaftspolitischen Fragen berät.

Er war anlässlich des Symposiums „Freiheit der Wissenschaft im Angesicht von politischen und gesellschaftlichen Ansprüchen“ an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.

„Pretty single minded“

Dass zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ein Spannungsfeld bestehe, bestreitet Peter Knight nicht. Von einem „ständigen Kampf“, wie es der österreichische Akademiepräsident Anton Zeilinger formulierte, möchte er aber nicht sprechen. Knight wählt lieber das Wort „Dialog“, der nötig sei, weil die Wissenschaft nicht im luftleeren Raum existiert: „Scientists are pretty single minded“, sagt er. Im übertragenen Sinn: Forscherinnen und Forscher haben ihren speziellen Fokus. Und weiter: „Sie haben eine Idee, und die ist für sie dann das Wichtigste im ganzen Universum.“

Peter Knight am Rednerpult

Klaus Pichler/ÖAW

Peter Knight bei der Tagung in Wien

Aber nicht jede wissenschaftliche Idee ist auch durchführbar bzw. sinnvoll. Es braucht also einen Konsens, dass eine Investition in ein Forschungsprojekt zum Wohl der Wissenschaft, aber auch zum Wohl der Gesellschaft ist.

Aber denken Politikerinnen und Politiker nicht immer nur bis zum nächsten Wahltag? „Ja, es stimmt, dass es extrem schädlich sein kann, wenn einzelne Projekte nur aus dem Motiv persönlichen Prestigegewinns gefördert werden“, räumt der britische Quantenphysiker ein, aber: „Aufmerksame Politikerinnen und Politiker sehen den Wissenschaftsbetrieb sehr ähnlich wie die Wissenschaft selbst. Sie verstehen das, sie sind nicht dumm. Und genau deshalb brauchen wir den Dialog.“

Mehr gesellschaftspolitische Diskussionen

Ö1 Sendungshinweis:

Über die Debatte berichtete auch das Mittagsjournal am 19. April 2016.

Mit Politik und Öffentlichkeit zu reden, gehört deshalb für den Quantenphysiker Peter Knight zum Job eines Wissenschaftlers. Was er österreichischen Forscherinnen und Forschern antworten würde, die traditionell große Vorbehalte gegen zu viel Kontakt mit der Politik haben? „Ich würde sie ermutigen, sich einzubringen, sie haben nichts zu verlieren. Wenn sie sich zurückziehen, kann das zu ihrem eigenen Schaden sein, weil politische Entscheidungen ohne wissensbasierte Grundlage getroffen werden.“

Peter Knights Plädoyer für einen stärkeren Dialog mit der Politik geht weit über reine Wissenschaftsfragen hinaus. Er tritt auch für eine stärkere Einmischung der Wissenschaft in gesellschaftspolitische Diskussionen ein. „Ich würde es begrüßen, wenn sich in Großbritannien die Wissenschaft stärker in der Debatte über den Austritt Großbritanniens aus der EU zu Wort melden würde.“

Leise Stimme in der Flüchtlingsdebatte

Diese stärkere Engagement unterstreicht auch die österreichische Ägyptologin und Archäologin Julia Budka, die derzeit an der Universität München unterrichtet: „Ich persönlich bedauere es tief, dass sich die wissenschaftliche Community in die Flüchtlingsdebatte sehr wenig eingebracht hat. Denn gerade die Wissenschaft kann viel dazu beitragen, dass diese starke Polarisierung etwas entschärft wird. Und ich finde es notwendig, dass wir das tun.“

So habe es an der Akademie der Wissenschaften zwar Veranstaltungen und Initiativen gegeben, in die breitere Öffentlichkeit vorgedrungen sind sie aber kaum.

Vor 3.500 Jahren in Ägypten und heute

Julia Budka etwa forscht zur Siedlungspolitik im 2. Jahrtausend vor Christus in Ägypten und im heutigen Sudan. Anhand von archäologischen Funden konnte rekonstruiert werden, wie sehr sich die beiden Bevölkerungsgruppen vermischt haben.

„Schon damals galt: Geschichte wird von einzelnen Menschen geschrieben, und die Spielarten sind unglaublich vielfältig. Manche Menschen können sich komplett anpassen und in der anderen Kultur aufgehen, andere wollen oder können das nicht und bewahren sich ihr kulturelles Erbe“, so Budka. Man müsse versuchen, Verhalten zu entschlüsseln und zu verstehen, und dabei könne die Wissenschaft ihren Teil leisten.

Elke Ziegler, science.ORF.at

Links:

Mehr zum Thema: