Wie der „Guardian“-Chef zum Klimakämpfer wurde

Alan Rusbridger, der langjährige Chefredakteur des „Guardian“, hat den Journalismus an den Nagel gehängt - und ist nun Umweltaktivist. Anlässlich eines Vortrages in Wien erzählte er, wie es zu dieser Wende in seinem Leben kam.

„Was haben wir beim Erzählen dieser Geschichte falsch gemacht?“, fragte sich Rusbridger zu Weihnachten 2014 und kam zur Erkenntnis: „Wir müssen das Thema Klimawandel viel breiter covern.“

Veranstaltung

Alan Rusbridger hält heute, am 3.5., bei den Erdgesprächen in Wien einen Vortrag. Beginn der Veranstaltung: 17.00 Uhr. Ort: Museumsquartier, Halle E.

Ergebnis war die im Frühjahr 2015 gestartete Kampagne „Keep It In The Ground“, die der „Guardian“ monatelang gefahren hat. Ziel war es, in der Finanzbranche dafür zu lobbyieren, Investitionen in fossile Energieträger zurückzunehmen („fossil fuel divestment“) und stattdessen in umweltfreundliche Technologien zu investieren.

Herkömmliche Faktenberichte wurden mit Social-Media-Aufrufen kombiniert, außerdem hat sich die renommierte linksgerichtete Zeitung mit NGOs, etwa 350.org, vernetzt.

Kampagne für „Divestment“

Konkret hat der „Guardian“ damals etwa die Gates Foundation von Microsoft-Gründer Bill Gates und den Wellcome Trust, den weltgrößten Geldgeber für medizinische Forschung, ins Visier genommen. Diese sollten ihr Geld aus Öl- oder Kohlekonzernen abziehen.

Immerhin hätten beide Organisationen gesagt, dass der Klimawandel die größte Bedrohung sei, erzählte Rusbridger am Dienstag bei einer Pressekonferenz der Grünen in Wien. Bei Shell oder Goldman Sachs hätte man wohl keine so guten Argumente gehabt.

Die Kampagne sei durchaus erfolgreich gewesen. So habe sich daraufhin der britische Notenbankchef Mark Carney öffentlich kritisch über Investitionen in fossile Energieträger geäußert und hingewiesen, dass dies in der Finanzbranche noch kein großes Thema sei.

Im September 2015, wenige Monate vor dem Pariser Klimagipfel, hatte Carney gewarnt, dass der Klimawandel zu neuerlichen Finanzkrisen und zu einem Abfallen der Lebensstandards führen würde, sofern die Konzerne der führenden Industrienationen nicht weniger Kohlenstoff ausstoßen.

Dass das Thema „Divestment“ nun in den höchsten Kreisen der Finanzwelt in aller Munde war, schreibt sich Rusbridger auch auf seine Fahnen. Auch, dass sich die „Guardian Media Group“ entschieden habe, ihre gesamten 800 Mio. Pfund, die sie in Öl-, Gas- und Kohlefirmen investiert hatte, umzuschichten.

„Negative Nachrichten schrecken ab“

Weniger erfolgreich war der „Guardian“ beim „Wellcome Trust“. „Der Wellcome Trust trotzt den Aktivisten und erhöht seine Investitionen in fossile Energien“, titelte die britische Zeitung Ende Dezember 2015. Der „Wellcome Trust“ habe seine Aktien von Unternehmen wie BP oder Rio Tinto, der weltweit zweite Bergbaukonzern, zwischen 2014 und 2014 um 5,2 bis 27 Prozent erhöht.

Ob der „Guardian“ eine weitere Kampagne in diese Richtung plant, könne er nicht sagen, da er ja nicht mehr bei der Zeitung sei, so Rusbridger. Als er den „Guardian“ verlassen habe, habe sich die Umweltberichterstattung in Richtung „Positiv“ gewandelt. „Negative Nachrichten schrecken die Leute ab.“

Sein derzeitiges Ziel: Die Pensionsfonds der britischen Universitäten dazu zu bringen, kein Geld mehr in fossile Energien zu stecken. Rusbridger ist jetzt Direktor der Lady Margaret Hall (LMH), eines der Colleges der Universität von Oxford. Am Dienstag spricht er am Abend bei den „Erdgesprächen“ in Wien.

science.ORF.at/APA

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