Forscher lassen Embryo in Nährlösung wachsen

Embryonen, die sich in einer künstlichen Gebärmutter entwickeln: Dieses Szenario scheint durch Versuche von britischen und amerikanischen Wissenschaftlern nun näher gerückt. Die Experimente werfen auch ethische Fragen auf: Wie weit darf Forschung gehen?

Befruchtete Eizellen nisten sich etwa am Tag sieben ihrer Entwicklung als kugeliger Zellhaufen in der Gebärmutterschleimhaut ein. Anschließend spezialisieren sich die Zellen. Diese Entwicklungsschritte sind normalerweise unsichtbar, weil sie im Mutterleib stattfinden.

Ali Brivanlou und sein Team von der Rockefeller University in New York haben diese Vorgänge nun erstmals aus nächster Nähe beobachtet. Dafür nutzten sie eine Technik, die ursprünglich an Mäusen entwickelt worden war:

Zunächst legten die Forscher Embryonen in eine Nährlösung und stellten ihnen ein Gerüst bereit, an das sie sich anheften konnten. Dann verfolgten sie die Entwicklung. So wurden sie Zeuge der Trennung jener beiden Zelllinien, aus denen normalerweise das Kind entsteht - bzw. Plazenta und Dottersack hervorgehen.

Versuche nach zwei Wochen abgebrochen

„Erstaunlicherweise verlief die Entwicklung in unserem System in der völligen Abwesenheit mütterlichen Inputs mindestens in den ersten zwölf Tagen normal“, sagt Briavanlou.

Magdalena Zernicka-Goetz von der Cambridge University hat nun ganz ähnliche Versuche durchgeführt. Auch sie brach ihr Experiment wie ihr amerikanischer Kollege nach zwei Wochen ab - so wie es internationale Vereinbarungen zur Forschung an Embryonen auch vorsehen. Die entsprechenden Studien wurden nun in den beiden Fachjournalen „Nature“ und „Nature Cell Biology“ veröffentlicht.

„Wissenschaftlich hoch interessant“ findet Dieter Birnbacher, Vorsitzender der Ethikkommission bei der deutschen Bundesärztekammer die Experimente. Bisher sei es nicht möglich gewesen, die Vorgänge rund um die Einnistung des Embryonen außerhalb des Mutterleibes zu untersuchen. „Wir sind aber meilenweit entfernt von dem Heranzüchten eines Kindes außerhalb des Mutterleibes“, so Birnbacher.

In Österreich nicht erlaubt

In Deutschland und Österreich wären derartige Versuche nicht erlaubt - das deutsche Embryonenschutzgesetz und das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz verbieten solche Eingriffe. Letzteres lässt die Gewinnung von Embryonen zu - aber nur zu Zwecken der Fortfplanzung und nicht für die Forschung.

Die 14-Tage-Regel, an die sich die beiden Forscherteams gehalten haben, ist etwa in der Europäischen Biomedizinkonventionen enthalten, sagt Ulrich Körtner, Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin in Wien. „Theoretisch müsste diese Konvention in ganz Europa gelten.“ Tatsächlich ist das nicht der Fall, Österreich hat sie bis heute nicht unterzeichnet.

Körtner rechnet damit, dass nun Stimmen für einen strikteren Embryonenschutz laut werden, da offenbar die Entwicklungsmöglichkeiten von Embryonen außerhalb des Mutterleibes unterschätzt wurden. „Aber ich rechne auch damit, dass manche eine Aufweichung des 14-Tage-Limits fordern werden.“

Körtners Position: Er sei „undogmatisch“ für eine Beibehaltung der Regel. Entschieden abzulehnen sind aus seiner Sicht indes Forschungen, die auf die Entwicklung einer künstlichen Gebärmutter hinauslaufen: „Das wäre die totale Instrumentalisierung menschlichen Lebens.“

Wie Briavanlou und Zernicka-Goetz betonen, haben ihre Versuche durchaus das Potenzial, den medizinischen Fortschritt voranzutreiben. Das Zellkultursystem könnte dabei helfen zu verstehen, warum einige Schwangerschaften so früh enden und warum die Methoden der künstlichen Befruchtungen so geringe Erfolgsraten besitzen. Außerdem, so hoffen die Forscher, könne die Technik genutzt werden, um die Entwicklung von Therapien mit embryonalen Stammzellen voranzubringen.

science.ORF.at/dpa

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