Von der Einbahnstraße zur Partizipation

Wie soll Wissenschaft kommuniziert werden? In möglichst einfacher Form von „oben herab“? Oder durch Mitbestimmung „von unten“? Weder noch, sagt eine neue Studie: Am liebsten wollen die Menschen an der Forschung praktisch und „auf gleicher Augenhöhe“ teilhaben.

Diese Augenhöhe ist bisher in Österreich aber alles andere als gleich. So lassen sich zumindest die Eurobarometer-Studien interpretieren, die das Interesse an Wissenschaft untersuchen.

Demnach interessieren sich hierzulande nur 45 Prozent für die Wissenschaft. Das liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt, nur Länder wie Tschechien, Bulgarien und Ungarn rangieren darunter.

Von der Einweg- zur Dreiwegkommunikation

Eigentlich seltsam, wurden doch in den vergangenen Jahren zahlreiche Versuche unternommen, dieses Interesse zu steigern: mit Hilfe von Kinderunis, langen Nächten der Forschung, Science Slams, bis hin zum Biertrinken für die Wissenschaft.

„Öffentlichkeit ist ein Grundprinzip gesellschaftlicher Legitimation“, pflichtet Maren Beaufort diesen Versuchen bei. „Es kann nicht sein, dass die Wissenschaft alleine vor sich hinwurschtelt. Es ist Teil des wissenschaftlichen Arbeitens, die Verbindung zur Gesellschaft zu halten.“

Initiativen dazu waren bisher aber wenig erfolgreich, wenn man von einem reinen Unterhaltungswert absieht, sagt die Kommunikationsforscherin Beaufort von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Und das, obwohl praktisch als auch theoretisch einiges versucht wurde, das Interesse an Wissenschaft zu erhöhen.

Die Entwicklung dabei kann man verkürzt „von der Einweg- zur Dreiwegkommunikation“ beschreiben. In Phase eins haben „die Wissenschaftler“ mit „den Laien“ gesprochen; mehr oder weniger populär war dieses Reden eine Einbahnstraße. Vor rund 15 Jahren begann diese Phase, die im Fachjargon „Public Understanding of Science“ heißt und bis heute alles andere als vorbei ist.

In Phase zwei wurde es vielen Wissenschaftsvermittlern klar, dass reines „Understanding“ noch keine Kommunikation ausmacht. Es ginge um „Public Engagement“, also um einen gegenseitigen Austausch, einen Dialog zwischen Wissenschaft und dem Rest der Gesellschaft - auch dieser wird bis heute angestrebt.

An Forschungsprozess partizipieren

„Beide Ansätze haben nicht wirklich funktioniert, sie konnten das Interesse an Wissenschaft nicht steigern“, sagt Beaufort. Sie hat gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Vergleichende Medien und Kommunikationsstudien der ÖAW untersucht, wie sich Menschen tatsächlich für Forschung begeistern können.

„Für die meisten ist sie zu weit weg von den eigenen Bedürfnissen. Wenn die Betroffenheit fehlt, nützt auch die beste Popularisierung von Wissenschaft nichts.“ Was die Leute wollten, sei „Integrierbarkeit in die eigene Lebenswelt und partizipative Einflussnahme“.

“70 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihr Interesse an Wissenschaft steigern ließe, wenn sie auf Augenhöhe mit den Forschern und Forscherinnen kommunizieren könnten.“ Sie wollen Forschungsresultate nicht nur (und sei es noch so vereinfacht) präsentiert bekommen oder kommentieren, sondern in den Prozess der Forschung selbst miteinbezogen sein. „Es gilt einen Konnex zu schaffen zwischen den Ideen der Bevölkerung und der Wissenschaft“, sagt Beaufort.

Gegen den Elfenbeinturm

Die technischen Mittel dazu seien durch Internet und Soziale Medien längst da, die gegenseitige Befruchtung werde bisher aber viel zu selten angestrebt. Wenn sich Forscher und Forscherinnen auf Plattformen der eigenen Zunft wie ResearchGate oder Academia.edu tummeln, während sich „der Rest“ auf Facebook aufhält, sei das eine Art digitale Variante des Elfenbeinturms.

„In vielen Fällen fehlt das Verbindungsglied“, fasst Beaufort ihre Studienergebnisse zusammen. Positive Gegenbeispiele gebe es bisher wenige. Eines sei der Ö1 Schwerpunkt „Open Innovation“ gewesen. Ab 2014 wurden dabei Projekte von Bürgern und Bürgerinnen in Österreich ausgewählt, die dem Gemeinwohl dienen und ihre Umgebung durch soziale Innovationen verändern. „Die Bevölkerung hat untereinander diskutiert, dazu kam die Kompetenz der Wissenschaft. Das war eine echte Dreiwegkommunikation“, sagt Beaufort.

Frühe Berührung mit Forschung wichtig

Positiv findet sie auch das vom Wissenschaftsministerium durchgeführte Projekt Sparkling Science , bei dem Schüler und Schülerinnen in den Forschungsalltag eingebunden werden. „Eine möglichst frühe Berührung mit Wissenschaft erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man später ein Interesse dafür entwickelt“, sagt die Kommunikationsforscherin. Während im EU-Schnitt fast ein Drittel über solche Vorerfahrungen berichten, seien das in Österreich aber nur elf Prozent.

Beaufort plädiert generell nicht für eine Reden über, sondern für eine Reden mit Forschung und Wissenschaft. „Man beginnt sich über ein Alltagsproblem auszutauschen, bündelt Interessen und vernetzt eigene Bedürfnisse und Ideen mit der Lösungskompetenz der Wissenschaft.“

Mögliche Beispiele, die der Kommunikationsforscherin einfallen: die Entwicklung einer medizinischen Hautcreme für Allergiker, die an einer seltenen, von der Forschung bisher vernachlässigten Krankheitsform leiden, sowie der beste Zeitpunkt für Krippenbetreuung – gemeinsam ermittelt von Eltern, Verantwortlichen und sozialwissenschaftlicher Forschung.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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