Zitteraale: Humboldt hatte Recht

Alexander von Humboldt hatte Recht: Zitteraale springen aus dem Wasser und attackieren potenzielle Angreifer mit Stromstößen, wenn sie sich bedrängt fühlen. Vermutlich setzen sie sich so in der Trockenzeit gegen Angreifer zur Wehr, wenn ihr Lebensraum auf kleine Tümpel und Wasserlöcher schrumpft.

Der berühmte Naturforscher von Humboldt beschrieb das Verhalten der angriffslustigen Zitteraale (Electrophorus electricus) bereits vor 200 Jahren - während eines Forschungsaufenthalts am Amazonas; sein Bericht war aber in der Folgezeit von anderen Wissenschaftlern häufig angezweifelt worden.

Er hatte Fischer gebeten, ihm einige der Tiere für wissenschaftliche Untersuchungen zu fangen. Die Fischer entschieden daraufhin, mit Pferden zu fischen: Sie trieben etwa 30 Pferde und Maultiere in ein Wasserloch. Kurz darauf schnellten etliche Zitteraale aus dem Wasser. Sie pressten sich gegen die Tiere und verabreichten ihnen Stromschläge.

Die Pferde wurden am Wegrennen gehindert, so dass die Aale sie andauernd attackieren konnten. Zwei Pferde ertranken, weitere brachen zusammen. Schließlich aber waren die Aale so erschöpft, dass die Fischer sie gefahrlos fangen konnten.

Gezielter Angriff

Etwas Vergleichbares sei seitdem nicht mehr von Zitteraalen berichtet worden, schreibt Kenneth Catania von der Vanderbilt University in Nashville. Er selbst wurde auf das merkwürdige Verhalten der Tiere aufmerksam, als er Zitteraale im Labor mit einem Kescher von einem Tank in einen anderen transportierte: Die Tiere griffen den Kescher an, wanden sich am Griff empor und teilten fortwährend Stromstöße aus. Das Verhalten sei „sowohl sprichwörtlich wie buchstäblich schockierend“ gewesen, berichtet Catania.

Er untersuchte es daraufhin gezielter und stellte zunächst fest, dass die Tiere nicht-leitende Gegenstände im Wasser ignorierten. Der Kescher habe einen dünnen Metallrand besessen und sei mithin auch leitfähig gewesen. Das Verhalten leuchte ein, da Lebewesen - also Angreifer oder Beute - gemeinhin auch Strom leiteten, schreibt Catania. Mit entsprechenden Messinstrumenten ermittelte er dann, dass Spannung und Stromstärke zunahmen, während die Aale aus dem Wasser an den Gegenständen empor schnellten.

Wenn die Zitteraale unter Wasser Stromschläge verabreichten, werde die Energie der Stromschläge unter Wasser verteilt. Heben die Tiere ihren Körper hingegen aus dem Wasser, leiten sie den Strom von ihrem Kinn direkt in ihr Angriffsziel. Der elektrische Strom laufe dann durch den Körper des Opfers hindurch und schließlich wieder im Wasser in den Schwanz des Zitteraales, wodurch der Stromkreis geschlossen wird. „Dies ermöglicht es den Zitteraalen, Stromschläge mit maximaler Stärke an angreifende Landtiere auszuteilen, die in ihr Territorium eindringen und deren Körper zum Teil unter Wasser ist“, erläutert Catania. „Außerdem können sie so größere Teile des Körpers elektrisieren.“

Mehrere Hundert Volt

Der Wissenschaftler fand weiter, dass die Zitteraale vor allem dann angriffen, wenn der Wasserstand ihres Beckens niedrig war. Vermutlich fühlen sie sich dann in Bedrängnis. Im Amazonas, wo die Tiere unter anderem heimisch sind, trocknen große Gebiete regelmäßig aus. Zurück blieben kleinere Tümpel oder Totarme, in denen die Fische angreifenden Landtieren ziemlich ausgeliefert seien.

Zitteraal und Angreifer

Kenneth Catania, Vanderbilt University

Zitteraal attackiert Angreifer

Zitteraale sind anders als der Name vermuten lässt keine Aale, sondern gehören zu den Neuwelt-Messerfischen. Sie sehen Aalen mit ihrem langgestreckten Körper allerdings sehr ähnlich. Die Tiere leben in Südamerika, in schlammigen und sauerstoffarmen Süßgewässern. Der Körper der Tiere ist mit einem stromerzeugenden Organ besetzt, dem sogenannten Elektroplax. Der Pluspol liegt am Kopf, der Minuspol im hinteren Körperbereich. Sie können damit Stromschläge von mehreren Hundert Volt erzeugen. Sie betäuben so ihre Beute, vor allem andere Fische.

Hilfreiche Stromstöße

Kenneth Catania untersucht die Tiere schon seit Langem. So berichtet er im vergangenen Jahr im Fachmagazin „Current Biology“, dass die Zitteraale die Stärke ihrer Stromstöße mehr als verdoppeln können, indem sie ihr Hinterende nach vorne kringeln. Damit bringen sie ihre Beute zwischen die beiden Pole ihres elektrischen Organs. Sie nutzten dies, um große oder zappelnde Beute zu bändigen, oder auch, wenn sie diese nicht gut zu fassen bekamen.

In einer weiteren Untersuchung zeigte er, dass sie die Stromstöße nicht nur als effektives „Betäubungsgewehr“, sondern zugleich als hochpräzises Werkzeug zur Ortung ihrer Beute nutzen. Das an Fledermäuse erinnernde Verfahren des „Beute-Trackings“ stellte er ebenfalls im vergangenen Jahr im Fachjournal „Nature Communications“ vor.

Anja Garms/dpa

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