Der Quantencomputer nimmt Fahrt auf

Wahre Wunderdinge verspricht man sich vom Computer der Zukunft, dem Quantencomputer. Innsbrucker Forscher sind nun der Vision näher gerückt: Sie haben mit einem Quantencomputer 200 Rechenschritte durchgeführt - so viele wie kein anderes Team zuvor.

Wenn Physiker von Mächtigkeit sprechen, dann meinen sie die Rechenkraft von Computern. Und in dieser Hinsicht ist der Quantencomputer ein wahrer Gigant. Oder besser gesagt: Er könnte es sein, wenn die Technologie schon so weit wäre.

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Über dieses Thema berichtet auch Wissen aktuell, 23.6.2016, 13.55 Uhr

„Wenn der Quantencomputer 50 Mal größer als die heutigen Prototypen wäre - dann könnte man damit Rechnungen ausführen, die auf allen Supercomputern, die wir momentan zur Verfügung haben, bis ans Ende des Universums dauern würden“, sagt Philipp Schindler vom Innsbrucker Akademieinstitut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI).

Ionen in der Falle

Bis zum Ende des Universums will freilich niemand warten, zumal es auch andere Möglichkeiten gibt, das Potenzial des Quantencomputers unter Beweis zu stellen. Den kann man nämlich auch in der theoretischen Physik einsetzen, genauer: bei jener Theorie, die das Verhalten der kleinsten Bausteine der Materie beschreibt. Auch hier kommt man mit herkömmlichen Berechnungen schnell an die Grenze des Machbaren.

„Das ist ein fundamentales, ein prinzipielles Problem“, betont IQOQI-Forscherin Christine Muschik. „Da haben sich schlaue Leute gedacht: Wenn man das auf einem Computer nicht ausrechnen kann - vielleicht kann man das auf einem Quantencomputer beschreiben?“

Ionenfalle in Großaufnahme

IQOQI/Knabl

Ionenfalle: Hier werden Atome zu Rechenoperationen animiert

Die Innsbrucker Forscher weisen nun nach: Ja, das geht tatsächlich. Zum Beispiel mit Kalzium-Ionen, die in einem elektromagnetischen Feld gefangen werden. „Ionenfalle“ heißt dieser Apparat. Die Versuchsaufbauten nehmen momentan mit all den Kabeln, Spiegeln & Strahlenteilern noch die Fläche eines 25 Quadratmeter großen Raumes ein – aber sie sollen bald kleiner werden.

Inoffizieller Rekord

Die Eckdaten des Experiments: Die Information wird in vier Atomen gespeichert, damit man damit rechnen kann, müssen die Kalzium-Ionen tagelang stabil gehalten werden. Und das ist technisch extrem aufwändig. 200 Rechenoperationen haben die Forscher mit ihren vier Atomen durchgeführt. Eine Marke, die sich international sehen lassen kann. Es gibt zwar keine offiziellen Rekordlisten - aber weltrekordverdächtig ist dieser Wert allemal.

Bei ihrem Experiment haben die Forscher übrigens einen sonderbaren Effekt der Quantenwelt simuliert: Im Vakuum, also im leeren, materiefreien Raum, entstehen mitunter Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich nach einiger Zeit wieder gegenseitig vernichten. Solche Energiefluktuationen kann man offenbar auch den Kalzium-Ionen mit entsprechender Anregung durch Laser „einimpfen“. In Zukunft wollen die Forscher auch Effekte simulieren, die selbst die Theoretiker nicht verstehen - noch nicht. Die entsprechende Studie ist nun im Fachblatt „Nature“ erschienen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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