Gen-Schere „CRISPR“: Erster Test am Menschen

Die neue Methode hat die Molekularbiologie im Sturm erobert: Nun soll die Gen-Schere „CRISPR“ erstmals an Krebspatienten getestet werden. Der Versuch ist nicht unumstritten.

Blickt man auf die Geschichte der Molekularbiologie, dann gab es wohl nur einen vergleichbaren Fall, bei dem die Entwicklung so rasant vor sich ging. 1985 stellte der amerikanische Biochemiker Kary Mullis eine Methode vor, mit der man DNA schnell und in fast beliebigen Mengen vervielfältigen konnte. Seine Erfindung, PCR genannt, wurde binnen kürzester Zeit zu einem unverzichtbaren Werkzeug in den Forschungslabors dieser Welt. Die offizielle Anerkennung von Mullis’ Pioniertat ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten: Er erhielt 1993 den Nobelpreis für Chemie.

Ähnlich verhält es sich nun mit CRISPR/Cas. Die Französin Emanuelle Charpentier und die Amerikanerin Jennifer Doudna hatten das aus Bakterien stammende Enzymsystem erstmals vor vier Jahren verwendet, um die DNA von Lebewesen gezielt zu verändern. Heute tut das in diesem Metier jeder - die Methode ist einfach, wirkungsvoll und binnen weniger Jahre vollständig in den Forschungsalltag eingewachsen. Das ging so rasch vor sich, dass man sich heute kaum mehr vorstellen kann, wie umständlich solche Eingriffe einst waren.

Nun soll die Methode auch erstmals an Menschen getestet werden, und zwar an 18 Krebspatienten aus den USA, bei denen herkömmliche Therapien wirkungslos geblieben waren. Der klinische Versuch, eine Kombination aus Immun-und Gentherapie, wurde soeben von den amerikanischen Institutes of Health (NIH) bewilligt.

Genetisch aufgerüstete T-Zellen

Der Plan der Forscher: Sie wollen den Patienten spezielle Immunzellen - T-Zellen - entnehmen, sie im Labor für ihren Angriff auf den Tumor „scharf“ machen und sie dann wieder in den Körper der Patienten einsetzen. Dazu sind drei Mutationen nötig. Die T-Zellen erhalten ein zusätzliches Gen, mit dessen Hilfe sie Krebszellen erkennen können.

Außerdem wollen die Wissenschaftler zwei Gene aus dem Erbgut der T-Zellen entfernen. Das eine deshalb, weil es die Zerstörung des Tumorgewebes stören könnte, der dritte gentechnische Eingriff dient der Tarnung: Das betroffene Gen weist die T-Zellen als Immunzellen aus - ist es nicht da, hat der Tumor weniger Möglichkeiten, dem Angriff auszuweichen.

Risikolos ist der Eingriff nicht. Bisher ist etwa unklar, ob und inwieweit CRISPR/Cas die DNA auch an falschen Stellen schneidet. Theoretisch könnte das nämlich auch in Krebs-Genen passieren. Wäre das so, dann bestünde die Gefahr, dass die T-Zellen ihrerseits außer Kontrolle geraten. Ebenso denkbar wäre, dass das Immunsystem negativ auf die verwendeten CRISPR/Cas-Enzyme reagiert. Diese Fragen sollen nun in dem auf zwei Jahre angelegten klinischen Test beantwortet werden.

Was CRISPR/Cas betrifft, ist das Experiment ein Schritt ins Neuland, allerdings hat es in den letzten Jahren schon ähnliche Versuche gegeben. 2014 haben Forscher beispielsweise die T-Zellen von Patienten mit Hilfe anderer Enzyme („Zinkfingernukleasen“) genetisch aufgerüstet und erst letzte Woche startete im Londoner Great Ormond Street Hospital eine ähnliche Studie an 10 Kindern - hier mit einer Technik namens „TALENS“ .

Experiment mit tödlichem Ausggang

Trotz der Bewilligung der neuen Versuche seitens der NIH - das verantwortliche Komitee hatte bis auf eine Enthaltung einstimmig dafür votiert - melden auch Forscher Bedenken an. Das gilt insbesondere für die Rolle der University of Pennsylvania, die an der Studie federführend beteiligt ist.

Dort war nämlich schon einmal ein gentherapeutisches Experiment am Menschen katastrophal schief gegangen: Der 18-jährige Patient Jesse Gelsinger verstarb 1999, nachdem Forscher versucht hatten, die erbliche Stoffwechselstörung seiner Leber mit einem gesunden Gen zu korrigieren.

Diesen Unglücksfall dürfe man nicht vergessen, betont der Bioethiker Lainie Ross aus Chicago: „Die Geschichte der Penn University ist in dieser Hinsicht eine unrühmliche.“ Risiken seien niemals auszuschließen, gesteht auch seine Fachkollegin Mildred Cho aus Stanford zu. Doch mit Tierversuchen allein komme man eben nicht bis zur Therapie im Krankenhaus. „Manchmal braucht es auch einen Vertrauensvorschuss.“

Robert Czepel, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: