Wie viel Science steckt in der Fiction?

Warp-Antrieb, Beamen, das Erkunden der „unendlichen Weiten“: „,Star Trek’ ist die Serie mit dem größten Anteil an Wissenschaft!“ Das sagt der Physiker Metin Tolan, und er muss es wissen. Denn in seinem kürzlich erschienenen Buch hat er „Star Trek“ hinterhergerechnet.

Vor 50 Jahren brach das Raumschiff Enterprise zu seiner ersten Reise ins Weltall auf: Im September 1966 wurde in den USA die erste Folge von „Star Trek“ ausgestrahlt, bis heute eine der erfolgreichsten Serien in der Fernsehgeschichte. In knapp zwei Wochen startet bereits der 13. Kinofilm.

Rechtzeitig vor diesem Jubiläum hat Metin Tolan sein Buch „Die Star Trek Physik“ herausgebracht. Dafür durchforstete der deutsche Physiker die insgesamt 726 Folgen der „Star Trek“-Reihen auf wissenschaftliche Unstimmigkeiten.

Unendliche Weiten?

Danach muss man nicht lange suchen, schon zu Beginn jeder Folge gibt es laut Tolan ein „Hoppala“, wenn es heißt: „Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ (Anm. so die deutsche Übersetzung, im Original hieß es: „…to boldly go where no man has gone before“.)

Porträtfoto des Physikers Metin Tolan

TU Dortmund

Zur Person

Metin Tolan ist Professor für Experimentelle Physik und Prorektor für Studium an der Technischen Universität Dortmund. Sein erstes Buch „Geschüttelt, nicht gerührt“ über die Physik in James-Bond-Filmen wurde zum Überraschungsbestseller. In „So werden wir Weltmeister“ erklärt der Communicator-Preisträger, warum Fußball der ungerechteste Sport der Welt ist, und in „Titanic“, was das berühmteste Passagierschiff der Welt mit einer Ente gemeinsam hat - und warum es sinken musste.

Denn nach fünf Jahren hätte die Enterprise, selbst wenn sie mit Lichtgeschwindigkeit fliegen würde, nicht einmal Barnards Stern erreicht - und der strahlt in unserer eigenen Galaxie, also unmittelbar vor unserer kosmischen Haustür. Vom Verlassen der Milchstraße und einer Reise in andere Galaxien ganz zu schweigen, wie Tolan gegenüber science.ORF.at erklärt: „Hier haben die Enterprise-Macher offensichtlich die Dimensionen etwas unterschätzt.“

13,7 Milliarden Lichtjahre ist das expandierende Universum alt, sein Radius ist noch viel größer, wie die Astronomen heute wissen. Ähnliche Dimensionen waren auch 1966 bereits bekannt, als die Drehbuchautoren von „Star Trek“ sich ans Werk machten.

Allein für einen Besuch in unserer Nachbargalaxie Andromeda hätte die Enterprise ungefähr 2,7 Millionen Jahre benötigt - einfach zu lange. Um das Distanzproblem zu lösen, bedienten sich die „Star Trek“-Macher der Relativitätstheorie und erfanden den überlichtschnellen Warp-Antrieb, der zumindest theoretisch funktioniert: „In keiner anderen Science-Fiction-Serie hat man sich so viele Gedanken darüber gemacht, wie man die gigantischen Distanzen im Universum zurücklegen kann.“

Einstein schlägt Einstein

Tatsächlich trickst der Warp-Antrieb Einstein sozusagen mit Einstein aus. Dessen Spezielle Relativitätstheorie verbietet zwar Überlichtgeschwindigkeit, im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie, nach der Masse bzw. Energie die Raumzeit krümmt, sieht die Sache aber wieder anders aus.

Die „Star Trek“-Macher setzen die Enterprise gewissermaßen in eine Raumzeitblase, stauchen den Raum davor und dehnen den Raum dahinter. So gelangen Captain Kirk, Spock und Co. überlichtschnell ans Ziel, wie intergalaktische Raumzeitsurfer, wobei sich die Enterprise in der Raumzeitblase selbst gar nicht bewegt.

Modell der USS Enterprise, die Ende der 1980er Jahre zum Einsatz kam

Associated Press

Modell der USS Enterprise, die Ende der 1990er Jahre zum Einsatz kam

"Man muss sich das so vorstellen: Wenn Sie von Ihrem jetzigen Platz zur Tür wollen, dann können sie natürlich dorthin gehen - das geht nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit. Zumindest theoretisch können Sie in diesem Raum aber auch eine riesige Energiemenge freisetzen. Dadurch krümmt sich der Raum so, dass sich die Tür zu ihnen hinbewegt. Sie brauchen also nur einen kleinen Schritt nach vorne zu machen und sind direkt an der Tür“, erklärt Tolan.

Es gibt jedoch einen Haken: Schon für einen Flug mit dem Warp-Antrieb würde man 20-mal mehr Energie brauchen, als in der Sonne steckt. Oder, noch unrealistischer: exotische Materie mit einer negativen Masse. „Das ist der Punkt, wo man sagen würde, die technische Umsetzung ist ein bisschen schwierig“, so Tolan.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Buch widmet sich auch ein Beitrag in der Sendung „Dimensionen“ am 8.7. um 19:05.

Buch

Das Buch „Die Star Trek Physik - Warum die Enterprise nur 158 Kilo wiegt und andere galaktische Erkenntnisse“ von Metin Tolan ist 2016 im Piper Verlag erschienen.

Gibt es Leben im All?

Ständig stößt die Enterprise-Besatzung bei ihrer Reise durch die „unendlichen Weiten des Weltalls“ auf menschenähnliche Lebewesen, die auf erdähnlichen Planeten leben. In „Star Trek“ sind das die „Klasse-M-Planeten“. Solche Planeten müssten etwa so groß wie die Erde sein und in der habitablen Zone um einen sonnenähnlichen Stern kreisen, damit sich auf ihnen eine Atmosphäre und flüssiges Wasser bilden können - zwei Grundvorrausetzungen für Leben, wie wir es kennen.

Noch befindet sich unter den bisher entdeckten dreitausend Planeten außerhalb unseres Sonnensystems allerdings keine „zweite Erde“. Für Tolan ist das kein Grund, nicht an außerirdisches Leben zu glauben: „Alle Planeten, die man bisher gefunden hat, weisen darauf hin, dass das, was wir hier bei uns im Sonnensystem haben, nicht die Ausnahme ist, sondern es scheint die Regel zu sein.“

Die Macher von „Star Trek“ hätten also das Universum nicht zu „biophil“ designt, meint der Physiker. Moderne Teleskope sind derzeit bloß noch zu klein bzw. unsensibel, um solche lebensfreundlichen Exoplaneten zu beobachten. Jedenfalls rechnet der Physiker damit, die Entdeckung einer Art „zweiten Erde“ selbst noch zu erleben. Ob darauf auch menschenähnliche Wesen leben, sei eine sehr spekulative Frage.

Die Crew des Raumschiff Enterprise in Originalbesetzung, Archivfoto aus dem Jahr 1992

APA/Paramount/Paramount

Die Crew des Raumschiffs Enterprise in Originalbesetzung, Archivfoto aus dem Jahr 1992

“Beam me up, Scotty!“

Ja, und dann gibt es da noch das Beamen bei „Star Trek“: Ursprünglich von den Drehbuchautoren erfunden, um sich teure Kulissen für die Landung auf fremden Planten zu ersparen. Wenn man darunter das Teleportieren von Materie versteht, ist das natürlich mehr Fiction als Science.

Dagegen spricht schon die Quantenphysik, die das Übertragen von Informationen verbietet. Alles, was sie heute erlaubt und inzwischen kann, ist: Quanteneigenschaften, wie etwa die Polarisationsrichtung eines Lichtteilchens, zwischen räumlich entfernten Quantenteilchen zu übertragen. Mit Beamen von Materie bzw. Menschen wie bei „Star Trek“ hat das aber nichts zu tun.

„Theoretisch können Sie natürlich Materie auflösen. E=mc2, die wohl bekannteste Formel aus der Relativitätstheorie von Einstein, sagt uns, dass eine Masse einer Energie entspricht. Deswegen könnten sie mich auflösen. Sie müssten mich allerdings vorher auf mehrere Milliarden Grad erhitzen.“

Und dann, ergänzt Tolan, müsse man einen atomisierten Menschen nach dem Beamen natürlich auch wieder zusammensetzen. Dafür bräuchte man aber den exakten atomaren Bauplan eines Menschen, was die Heisenbergsche Unschärferelation grundsätzlich verbietet: „Die Unschärferelation sagt uns, Sie können niemals gleichzeitig den Ort und den Impuls eines Teilchens bestimmen - sie können’s auch so sagen, den Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens.“

Modell eines Phasers, der in der Serie ab 1966 als Waffe eingesetzt wurde

Associated Press

Modell eines Phasers, der in der Serie ab 1966 als Waffe auf der Enterprise eingesetzt wurde

Ein Kompliment an die „Star Trek“-Drehbuchautoren

Keine Frage, Metin Tolan ist selbst ein „Trekkie“, der alle Folgen mehrmals gesehen hat. Sein Buch ist somit ein unterhaltsames Physik- und „Star Trek“-Sammelwerk, in dem die Quantentheorie, die Relativitätstheorie, aber auch die ganz normale Mechanik und die Elektrodynamik Platz finden.

Mit der Idee, die Physik in „Star Trek“ zu beschreiben, ist er zwar nicht der Erste, alles gegenzurechnen, das hat vor ihm aber noch niemand gemacht. Dabei beweist Tolan ein gutes Gespür, wie viel an wissenschaftlichem Fachwissen dem lesenden Laien zuzumuten ist. „In erster Linie schreibe ich die Bücher nur für mich. Ich denke aber, dass für alle etwas dabei ist - Physikinteressierte, ,Star Trek’-Fans und solche, die es noch werden wollen.“

Sein Fazit: Das Meiste an „Star Trek“ ist theoretisch plausibel, nur an der technischen Umsetzung würde es manchmal scheitern - etwa beim Beamen sowie beim Warp-Antrieb. Ein großes Kompliment an die Drehbuchautoren also, aus dem Mund eines penibel prüfenden Physikers.

Wobei, einen größeren wissenschaftlichen Bock hat Metin Tolan dann doch noch gefunden: in einer Folge, in der die Enterprise abgeschleppt wird. Aus der Kraft, die dafür notwendig ist, hat Tolan das Gewicht der Enterprise ermittelt: zarte 158 Kilogramm - Crewmitglieder inklusive. Doch etwas zu wenig für ein Raumschiff, meint der Physiker, selbst wenn es sich um Science Fiction handelt.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: