Menschen können einzelne Photonen sehen

Für Charles Darwin war das menschliche Auge ein „Organ äußerster Vollkommenheit“ - ein weises Urteil, wie eine aktuelle Studie zeigt: Die Empfindlichkeit des Auges ist enorm, es registriert sogar einzelne Lichtteilchen.

Aus Untersuchungen aus den 1940er Jahren wusste man, dass an Dunkelheit gewöhnte Versuchspersonen Lichtblitze wahrnehmen können, die aus nur fünf bis sieben Photonen bestehen. Ob damit die Grenze des Möglichen erreicht wurde, war bis vor Kurzem unklar.

Studie

„Direct detection of a single photon by humans“, Nature Communications, 19.7.2016

Forscher um den Quantenphysiker Alipasha Vaziri weisen nun nach: Es geht noch extremer. Vaziri ist seit 2011 am Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) beschäftigt und seit Herbst vergangenen Jahres auch Leiter des Laboratory of Neurotechnology and Biophysics an der Rockefeller University in New York.

Testfrage: War da etwas?

Vaziri, ehemaliger Mitarbeiter des Experimentalphysikers Anton Zeilinger, erzeugte in seinen Versuchen ein Photon, das in einem optischen Kristall in zwei verschränkte Photonen zerfiel. Eines davon lenkte er zum Auge seiner Versuchsperson, das andere zu einem Detektor. „Damit weiß man, dass nur dann, wenn der Detektor ein Photon registriert, genau ein Photon und nicht mehr oder weniger in Richtung Auge geschickt wurde“, so Vaziri.

Für die Auswertung der Versuche entwarfen die Forscher ein ausgeklügeltes Protokoll: Die Probanden mussten sich rund 40 Minuten in einem völlig abgedunkelten Raum an die Dunkelheit gewöhnen. Dann wurden ihnen mittels zwei Tönen zwei jeweils eine Millisekunde lange Intervalle angekündigt. In einem davon wurde zufällig ein einzelnes Photon ins Auge geschickt - oder, um sich gegen Zufallstreffer abzusichern, auch gar keines.

Menschliches Auge und stilisierte Photonen

IMP

Superdetektor Auge: Die stilisierten Photonen im Bild sind nicht maßstabsgetreu

Die Versuchspersonen mussten dann per Tastendruck mitteilen, ob im ersten oder zweiten Intervall ein Photon zu sehen war. Und sie mussten außerdem angeben, wie sicher sie sich in ihrer Wahrnehmung waren. „Damit konnten wir die Empfindlichkeit der Anordnung zum Maximum treiben“, so Vaziri.

„Organe erstaunlich effizient“

Denn, so Vaziri, statistisch betrachtet sollten viele Photonen auf dem Weg durch das Auge absorbiert werden und daher die Netzhaut nie erreichen. Resultat: Waren sich die Probanden ihres Urteils sehr sicher, fiel auch die Antwort deutlich öfter richtig aus. „Was darauf schließen lässt, dass in diesen Fällen das Photon tatsächlich die Netzhaut erreicht hat“, so der Physiker.

Mehr als 30.000 solcher Durchgänge werteten die Forscher aus. Ihr Resümee: Das menschliche Auge kann tatsächlich einzelne Photonen wahrnehmen. Vaziri hält das Studienergebnis für „bemerkenswert“. Es zeige, „bis zu welch erstaunlicher Effizienz die Evolution die Empfindlichkeit der Sinnesorgane vorantreiben kann - bis zur kleinsten Einheit des Lichts“.

Vaziri hat sich auch die Möglichkeit nicht entgehen lassen, selbst an den Versuchen teilzunehmen. Wie fühlt es sich an, ein einzelnes Photon zu sehen? Der Lichtblitz sei so schwach, sagt Vaziri, dass einen bei den Tests „ein Gefühl an der Schwelle zur Einbildung“ beschleiche. Doch die Statistik lügt nicht: Die Wahrnehmung ist real. Die Wellenlänge der verwendeten Photonen entsprach übrigens grünem Licht. Bei dieser schwachen Intensität sahen die Probanden allerdings keine Farbe - auch Vaziri nicht.

science.ORF.at/APA

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