„EU braucht koordinierte Migrationspolitik“

In der Europäischen Union leben und arbeiten zu können, ist für viele Menschen außerhalb der EU ein Lebensziel. Aber welchen Menschen kann und will sie eine Perspektive bieten? Ein neues Forschungszentrum soll Antworten auf diese Frage finden.

Es ist sozusagen ein EU-Österreich-Joint-Venture, denn es wurde vom Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission und vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien gemeinsam ins Leben gerufen.

Bildung steht im Zentrum

Vor allem die Bildung, die die Menschen mitbringen, sei interessant, sagt der stellvertretende Leiter des neuen Forschungszentrums, der Bevölkerungswissenschaftler Wolfgang Lutz. Hier gibt es in Österreich genauso Wissenslücken wie im Rest der EU, das habe sich nicht zuletzt bei der jüngsten Fluchtbewegung gezeigt: „Das Flüchtlingswesen war nicht darauf eingestellt, diese statistischen Informationen zu erheben“, so Wolfgang Lutz. Es gab zwar Versuche von Umfragen, Genaues weiß man aber nicht.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 11.8., 13:55 Uhr.

Und man weiß schon gar nicht, wie sich das in der Zukunft gestalten wird. Hier setzt das neue Zentrum an, sagt der Demograf im Gespräch mit science.ORF.at: „Wir wollen nicht voraussagen, wie die Bildung der Migranten in der Zukunft sein wird, das können wir auch gar nicht. Sondern wir wollen abschätzen, was die langfristigen Folgen unterschiedlicher Zuwanderungsszenarien sind.“

Dabei soll nicht nur Europa im Mittelpunkt stehen, „sondern gerade auch Afrika südlich der Sahara und Westasien, um abzuschätzen, welche Zukunft diese Länder haben, was das Bevölkerungswachstum, aber auch die Bildung, das Humankapital betrifft.“

Heft in die Hand nehmen

Zuwanderung ist nicht gleich Flucht, das stellt Wolfgang Lutz klar. Und bei der Zuwanderung gelte es, politisch viel stärker das Heft in die Hand zu nehmen und klare Kriterien zu definieren, wer in die EU zuwandern darf und wer nicht. „Die EU braucht eine koordinierte Migrationspolitik“, sagt der Forscher. Er zitiert Kanada als internationales Vorbild: „Kanada hat schon seit Jahrzehnten eine konsequente Zuwanderungspolitik, wo man Punkte sammelt. Ganz entscheidend ist die Bildung, für einen Hochqualifizierten ist es viel leichter, nach Kanada einzuwandern.“

Und Studien hätten gezeigt, dass auch die Wirtschaft von dieser Art der Einwanderung stark profitiert hat, so Wolfgang Lutz. Um für die EU ein ähnliches System entwickeln zu können, brauche es wissenschaftlich gesicherte Fakten.

Das neue Forschungszentrum wird vorerst für drei Jahre finanziert, geplant sind zunächst fünf Post-Docs am IIASA und fünf Demografen von der EU-Kommission. In einem ersten Schritt sollen Daten über die Zusammensetzung aktueller Zuwanderung in EU-Staaten erhoben werden.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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