Wie Citizen Science funktionieren kann

Im besten Fall bekommen Wissenschaftler durch die Beteiligung von Laien neue Erkenntnisse und lösen alte Probleme. Für dieses Citizen Science müsste jedoch der übliche Wissenschaftsbetrieb angepasst werden, fordert die deutsche Umweltforscherin Aletta Bonn.

Sie beobachten Sterne, zählen Singvögel, nehmen Proben aus Moorböden oder stellen der Weltraumforschung die Leistung ihres Computers zur Verfügung - es gibt einige Beispiele, wo Bürger der Wissenschaft ihre Ohren, Augen, Geräte und vor allem ihre Zeit leihen.

Erfolg: Proteine falten

Manchmal führt das zu großem Erfolg, wie „Fold it“ im Jahr 2011. Im Rahmen des Computerspiels lösten User das Rätsel um die „Retrovirale Protease“ - ein Enzym des HI Virus. Wissenschaftler kamen jahrelang nicht dahinter, wie sich das Virus-Protein energiesparend faltet - User benötigten dafür 10 Tage. Damit lieferten die Spieler einen entscheidenden Schlüssel, wie sich das Virus im Körper reproduziert.

Foldit ist eines der Aushängeschilder für Citizen Science - dahinter steckt ein gutes Konzept, bei dem die Interessen und Fähigkeiten der Teilnehmer sowie das Forschungsziel aufeinander abgestimmt sind. Etwas, das für derart wissenschaftliche Projekte unablässig ist und entsprechend vorbereitet werden muss, erklärt Aletta Bonn vom deutschen Helmholz Zentrum für Umweltforschung - auch sie hat bereits mit Schülern sowie erwachsenen Laien gearbeitet. „Man braucht schon Management Qualitäten, was man an der Uni nicht unbedingt mitbekommt.“

Zur Person

Aletta Bonn leitet das Department für Ökosystemleistungen am Helmholz Zentrum für Umweltforschung und am German Centre for Integrative Biodiversity Research. Darüber hinaus leitet sie das Projekt GEWISS – Bürger schaffen Wissen, eine Plattform für Bürgerwissenschaft.

Stimmung ist wichtig

Fragestellung, Ort des Projektes, Training für Laien sind oftmals ebenso wichtig, wie die Stimmung unter den Hobbywissenschaftlern, weiß die Biodiversitätsexpertin Bonn aus eigener Erfahrung: „Einmal machten wir ein Bürgerprojekt zur Hummelkartierung. Wir hatten tolle Fragebögen, Trainings usw. Es war uns jedoch nicht möglich, die Freiwilligen bei der ersten Begehung zu begleiten, nachzufragen, ob alles geklappt hat und ihnen auch Feedback zu ihren Erhebungen zu gegeben.“ Das Projekt scheiterte.

Auch die Wissenschaftler, die hinter Foldit stecken, haben die User nicht sich selbst überlassen. Einerseits gab es Feedback in Form von Spielpunkten für gute Lösungsansätze, andererseits kommunizierte das Team um Initiator Dave Baker von der Washington University auch persönlich mit den Spielern und beantwortete Fragen – wenngleich weniger häufig als geplant, wie Baker in einem Video erklärte.

Faktor Zeit

Zeit ist einer der entscheidenden Faktoren, wenn es um Bürgerbeteiligung geht und mit ein Grund, warum es sie gibt. „Laien gehen manchmal ein drittes Mal auf die Wiese, um zu sehen, ob sie die entdeckte Tierart auch richtig eingeordnet haben. Im beruflichen Kontext wäre das gar nicht möglich“, so Bonn.

Damit große Kooperationen zwischen Wissenschaftlern und Laien entstehen können, müsste der Zeitrahmen erweitert werden, fordert die Umweltforscherin. „Ein Projekt darf nicht am strikten Dreijahres-Fahrplan orientiert werden, dem übliche Forschungsprojekte folgen.“ Besonderes Augenmerk legt die Forscherin auf eine längere Vorphase, wo Bürger ihre eigenen Ideen zum Forschungsinhalt einbringen und mitentscheiden können.

„Ich plane gerade ein Projekt, wo ich Ökosystemleistungen messen möchte - das heißt, den Wert von Natur bzw. wie Natur von Menschen genutzt werden kann. Dabei ist es wichtig, dass sowohl die Betroffenen als auch Interessierte bereits bei der Fragestellung und dem Design mitwirken können“, so Bonn.

„Forschung muss relevant sein“

Ziel ist es, nicht nur an etwas zu forschen, das für die Wissenschaft interessant ist, sondern auch für die Menschen relevant – insbesondere in der Umweltforschung, so Bonn. „Man muss zudem wesentlich mehr Risiko eingehen, wo es nicht möglich ist, im Vorhinein genau festzuschreiben, wie die Fragestellung lautet, wer mimacht und was dabei herauskommen soll“, so Bonn.

Technologiegespräche Alpbach

Von 25. bis 27. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Neue Aufklärung“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

Damit daraus aber kein blindes Herumfischen im großen Teich von Forschungsideen wird, müsste ein Koordinator zwischen den Welten vermitteln und das Projekt zum Ziel führen - ein Posten, den es weder an Universitäten noch an anderen Forschungseinrichtungen gibt, für Bonn aber notwendig wäre.

How to do Citizen Science

„Wir sind jetzt dabei, den Weg zu bestimmen, wo sich Citizen Science in den nächsten Jahren hinentwickeln soll und wie viel wir investieren.“ Um Bürgerwissenschaft voranzutreiben und einen einheitlichen Standard zu entwickeln, schrieb Bonn mit Kollegen einen Leitfaden, welcher für das Beobachten von Tieren, Entnehmen von Proben oder auch das Mitformulieren der Forschungsfrage ein „How to“ enthält. Dieser orientiert sich mitunter an dem zehn-Punkte Leitbild der EU.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: