So lebten die Byzantiner

Das Byzantinische Reich hat über mehr als ein Jahrtausend große Gebiete des Vorderen Orients, des Westbalkans und des Schwarzmeerraumes beeinflusst. Ein Buch setzt sich nun mit dem Leben der einfachen Leute im Nachfolger des Römischen Reichs auseinander.

Buch

Johannes Koder: „Die Byzantiner - Kultur und Alltag im Mittelalter“, Böhlau Verlag, ISBN: 978-3205203087

In den historischen Wissenschaften habe sich in den vergangenen Jahrzehnten die Aufmerksamkeit von kriegerischen Ereignissen, der Religionsausübung und den sozialen Oberschichten in Richtung der Lebensumstände jener Menschen verschoben, „die aus heutiger Sicht zweifellos sozial benachteiligt waren“, erklärt Johannes Koder im Gespräch mit der APA. Einen Abriss darüber, was die Wissenschaft heute über den Alltag dieses Teils der Bevölkerung des bis zur Eroberung der Hauptstadt Konstantinopel durch die Osmanen im Jahr 1453 über ungefähr elf Jahrhunderte hindurch bestehenden Byzantinischen Reiches weiß, hat der Wissenschaftler in „Die Byzantiner - Kultur und Alltag im Mittelalter“ leicht verständlich zusammengetragen.

Bindung an den Boden

In irgendeiner Form in der Landwirtschaft tätig waren damals bis zu 90 Prozent der „Römer“, wie sich die Bewohner selbst bezeichneten. „Es gab eine sehr starke Bindung an Bodennutzung in jeder Form“, erklärte der emeritierte Professor vom Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Uni Wien. Die Entwicklung neuer wissenschaftlicher Methoden in den vergangenen 20 Jahren und deren Anwendung in der Archäologie sei ein weiterer entscheidender Treiber dafür, dass nun weit mehr über den Alltag dieser Bevölkerungsschicht im Mittelalter bekannt sei.

Koder: „Man erfasst jetzt zum Beispiel auch Abfallgruben. Anhand dessen kann man feststellen, wie die Leute gelebt haben, was sie gegessen haben und wie wenig sie weggeworfen haben“. Die Bedeutung archäologischer Befunde sei hier auch deshalb so groß, weil schriftliche Quellen großteils auf die Hauptstadt bezogen waren.

Anschaulich erläutert der Wissenschaftler, der der internationalen Byzantinistenvereinigung „Association Internationale des Etudes Byzantines“ (AIEB) aktuell vorsteht, beispielsweise die Versorgung der gewissermaßen wie die Spinne im Netz sitzenden, zeitweise von mehreren hunderttausend Menschen bewohnten Hauptstadt Konstantinopel mit Wasser, Brennholz und Nahrungsmitteln. Da der Warentransport zu Lande nur sehr schleppend voran ging, war die Handelsschifffahrt entsprechend wichtig.

Kurzes Leben

Wie die Schiffe war damals die gesamte Bevölkerung abhängig von den Umweltbedingungen. Neben klimatischen Änderungen lösten auch Kriege immer wieder Migrationsbewegungen aus. Einen tiefen Einschnitt in die Bevölkerungsentwicklung bedeutete die Justinianische Pest im sechsten Jahrhundert. Koder skizziert diese größeren Entwicklungen an mehreren Stellen.

Einmal mehr werde auch anhand der Byzantiner klar, wie anders die Menschen im Mittelalter mit Zeit umgingen, so der Forscher. Bei einer mittleren Lebenserwartung von ungefähr 35 Jahren galt man mit etwa 16 Jahren de facto als erwachsen und ab 30 Jahren als alt. So rasch das Leben an vielen vorbeizog, so langsam schritten auch im alten Byzanz gesellschaftliche Veränderungen voran, wie Koder anhand von Beispielen illustriert. Neben den Jahreszeiten war das Leben auch viel stärker an der Abfolge der christlichen Feste orientiert.

Trotz all der Unterschiede zum heutigen Leben zeigt sich auch, wie zeitumspannend viele der Probleme der Menschen sind. So lauten einige überlieferte Ratschläge eines byzantinischen Autors sinngemäß: „Nur nicht in die Hände von Ärzten fallen. Wenn du kein Geld hast, baue kein Haus. Oder wenn du ein Buch in die Hand nimmst, dann lese es von der ersten bis zur letzten Seite.“

science.ORF.at/APA

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