Planet um erdnächsten Stern entdeckt

Vor zwei Wochen noch ein Gerücht, nun ist es amtlich: Astronomen haben den bisher erdnächsten Planeten jenseits unseres Sonnensystems entdeckt. Proxima b ist etwas größer als die Erde und könnte Leben beherbergen – das macht ihn zum idealen Kandidaten für eine Weltraummission.

Noch seien viele Fragen offen, die bisherigen Fakten seien aber „sehr aufregend“. So formulierte es Forschungsleiter Guillem Anglada-Escude am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Europäischen Südsternwarte (ESO) in München-Garching und bestätigte somit auch vorangegangene Gerüchte.

„Nur“ 4,2 Lichtjahre entfernt

Und das sind die Fakten: Proxima b kreist um Proxima Centauri, ein zur Klasse der Roten Zwerge zählender Stern in 4,2 Lichtjahren Entfernung von der Erde. Wie der lateinische Name schon verrät, handelt es sich um das erdnächste Gestirn im Sternbild Zentaur.

Studie

”A terrestrial planet candidate in a temperate orbit around Proxima Centauri” ist am 24.8. in Nature erschienen.

Sendungshinweis

Über den Planeten Proxima b berichten auch die Ö1-Journale am 25.8. um 7.00 Uhr.

Der Planet umkreist Proxima Centauri laut Forschern mit einer Umlaufzeit von 11,2 Tagen in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern. Zum Vergleich: Zwischen Erde und Sonne liegen 150 Millionen Kilometer. Die Masse des neu entdeckten Planeten entspricht dem 1,3-Fachen der Erdmasse. Nach dem üblichen System nannten ihn die Forscher Proxima Centauri b, kurz Proxima b.

Das Aufregende: Der Planet soll sich in der sogenannten habitablen Zone befinden, in der die Temperaturen die Existenz von flüssigem Wasser erlauben - was wiederum als Voraussetzung für Leben angesehen wird. Das ist möglich, obwohl er seinen Stern relativ nah umkreist. Proxima Centauri ist wie alle Roten Sterne deutlich leichter und dunkler als unsere Sonne. Mit ihr verglichen liegt Proximas Masse bei zwölf Prozent, die Leuchtkraft bei gerade einmal 0,17 Prozent.

ESO-Observatorium in La Silla/Chile und die Lage von Proxima

Y. Beletsky (LCO)/ESO/ESA/NASA/M. Zamani

ESO-Observatorium in La Silla/Chile und die Lage von Proxima Centauri am Nachthimmel

Existenz von Wasser und Atmosphäre „plausibel“

Wie der Planet entstand und ob es auf ihm tatsächlich Wasser oder eine Atmosphäre gibt, wissen die Forscher nicht. Simulationen zeigten laut dem Astrophysiker Ansgar Reiners von der Universität Göttingen aber, dass deren Existenz „plausibel“ sei.

Sicher ist, dass der Planet eine Oberflächentemperatur von rund minus 40 Grad Celsius hat – sollte er über eine Atmosphäre verfügen, würde die Temperatur weit „lebensfreundlicher“ über null Grad liegen. Ebenso sicher ist der Forscher, dass es sich um einen erdähnlichen Gesteinsplaneten handelt, also nicht um einen Gasriesen wie etwa Jupiter.

„Besonders spektakulär ist aber, dass Proxima b so nahe liegt“, sagte Reiners bei der Pressekonferenz. „Obwohl sein Stern nicht so stark leuchtet, gibt das unvergleichliche Beobachtungsmöglichkeiten.“ Schon mit aktuellen Methoden und erst recht mit der nächsten Generation von Teleskopen – etwa mit dem European Extremely Large Telescope – könnte man mehr über unseren Nachbarplaneten erfahren.

Künstlerische Darstellung von Proxima b und seines Gestirns

ESO/M. Kornmesser

Künstlerische Darstellung von Proxima b und seines Gestirns

Weltraummission angekündigt

Noch spektakulärer wäre nur noch ein Besuch bei Proxima b: Genau diesen kündigte der US-Astrophysiker Pete Worden an. Er ist Direktor des privaten Projekts “Breakthrough Starshot“, das mit winzigen Raumschiffen Geschwindigkeiten von bis zu einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit erreichen und nach Leben im Weltall Ausschau halten soll. „Seit heute kennen wir ein Ziel für unser Vorhaben“, so Worden bei der ESO. Schon innerhalb der nächsten Generation könnte seine Prophezeiung „Wir fliegen da hin“ umgesetzt werden. Geschätzte Reisedauer: 20 Jahre.

Aus heutiger Sicht gibt es in Sachen „Leben oder nicht?“ viele Unwägbarkeiten: Vermutlich rotiert Proxima b so, dass er dem Stern immer dieselbe Seite zuwendet - dort wäre es ewig heiß, auf der anderen Seite ständig kalte Nacht. Ob unter diesen ungünstigen Bedingungen Leben entstehen kann, ist unklar. Zudem bombardiere Proxima Centauri seinen Begleiter mit hochenergetischen Teilchen und Röntgenstrahlung.

Vergleich der Systeme von Sonne und Proxima Centauri

ESO/M. Kornmesser/G. Coleman

Vergleich der Systeme von Sonne und Proxima Centauri

Was die Forscher aber hoffnungsfroh stimmt: Die Auswertung der Daten zeigt weitere Signale, die von einem weiteren Planeten stammen können. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um ein System mit mehreren Planeten, ähnlich wie dem unserer Sonne. Die Vermutung liegt nahe, dass es – nicht nur um Proxima Centauri – unzählige Planeten gibt. Bisher wurden mehr als 3.500 dieser extrasolaren Planeten entdeckt.

Ein blasser roter Punkt

Einzelne Schritte zur Suche nach Proxima b haben die Forscher ungewöhnlich breit veröffentlicht. 2013 hatte Anglada-Escude erste Hinweise auf den Planeten entdeckt. Er startete daraufhin eine gezielte Suche und nannte sein Projekt „pale red dot“ („blasser roter Punkt“) in Anlehnung an die Bezeichnung „pale blue dot“ für die Erde, betrachtet aus der Ferne im Weltall.

Mit Hilfe von Teleskopen unter anderem von der ESO in Chile überwachten Forscher nächtelang die Helligkeit des Roten Zwergsterns. In einem Blog hielt der Wissenschaftler die Öffentlichkeit über seine Ergebnisse auf dem Laufenden. Auch in Sozialen Netzwerken tauchte die Kampagne auf.

Nach und nach gab es mehr Hinweise auf einen Planeten. Er habe die Beobachtungsdaten auf Stimmigkeit überprüft, sagte Anglada-Escude, der inzwischen an der Queen Mary Universität in London forscht, laut Mitteilung. „Die ersten zehn Tage waren dabei bereits vielversprechend, die ersten 20 entsprachen unseren Erwartungen, und nach 30 Tagen war das Ergebnis so sicher, dass wir uns daran machten, den entsprechenden Fachartikel zu entwerfen.“ Daran arbeiteten schließlich 31 Autoren von 15 Instituten aus acht Ländern.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at/Material: dpa

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