Mitterlehner: Forschung an „Kandare der Tagespolitik“

Österreichische Archäologen dürfen in der antiken Stadt Ephesos nicht mehr graben: Auf diese Anordnung der Türkei hat Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nun offiziell reagiert.

Wissenschaft und Forschung würden damit „an die Kandare der Tagespolitik genommen“, heißt es in einem Schreiben an den türkischen Kulturminister Nabi Avci.

Reinhold Mitterlehner nimmt in dem über die österreichische Botschaft an den türkischen Minister übermittelten Schreiben die Entscheidung „zur Kenntnis“, bedauert diesen Schritt „jedoch außerordentlich“. „Die über 120-jährige und erfolgreiche wissenschaftliche Kooperation zwischen unseren Ländern an diesen beiden Grabungsstätten wird somit empfindlich eingeschränkt“, so Mitterlehner.

Hofft auf Fortsetzung

„Diese Entscheidung trifft die Falschen, nämlich engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sowie zahlreiche türkische Staatsangehörige, die rund um die Grabungen beschäftigt waren und nun ebenfalls ihre Arbeit verloren haben“, schreibt Mitterlehner. Er erinnert im Zusammenhang mit der Aufnahme von Ephesos in die Welterbeliste, dass dies „neben der Leistung zahlreicher türkischer und internationaler Archäologen auch jener der österreichischen Forschenden zu verdanken ist, die durch ihre Grabungen nicht nur wertvolle Funde ermöglichen, sondern auch die antike Stadt für Besuchende attraktiv gestalten“.

Weiters erinnert Mitterlehner daran, dass die Türkei durch die jährlich mehr als zwei Millionen Besucher in Ephesos „bedeutende Einnahmen“ habe. Auch dafür hätte die Arbeit der österreichischen Experten einen Beitrag geleistet, so Mitterlehner, der hofft, „dass diese für beide Länder so äußerst erfolgreiche archäologische Arbeit im Jahr 2017 wieder aufgenommen und fortgesetzt werden kann“.

Auch bei türkischen Archäologen Unverständnis

Unverständnis über den Schritt äußerte auch die Istanbul-Sektion des türkischen Archäologenverbands in einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung: Sie sehen in der Maßnahme eine „Einschränkung der wissenschaftlichen Produktivität“, es handle sich dabei „nicht um eine diplomatische Sanktion, sondern eine Bestrafung der Wissenschaft“.

„Es sei sehr bedauerlich, dass die Politiker die Einstellung einer archäologischen Ausgrabung beschließen und Wissenschaftler sowie Institutionen für die Probleme bezahlen lassen, die sie anders nicht lösen können“, heißt es in der Erklärung.

Darin sind auch Zahlen über ausländische Ausgrabungen in der Türkei enthalten: Demnach hat das türkische Kulturministerium 2015 Genehmigungen für 36 ausländische Grabungen und 13 Untersuchungen erteilt. Diese wurden von Universitäten und Forschungsinstituten aus den USA, Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Schweiz, Italien, Japan, Kanada und Polen durchgeführt. Darüber hinaus wurden für lokale türkische Forscher Genehmigungen für 120 Grabungen und 86 Untersuchungen vergeben.

science.ORF.at/APA

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