Eine Bank für Gewebe, Blut und Daten

Gewebe, Blut oder Speichel - all diese Proben werden in Biobanken gesammelt. Ohne sie wäre die morderne medizinische Forschung nicht denkbar. Doch mit dem wissenschaftlichen Fortschritt wachsen auch die Datenschutzbedenken.

Zwei Patientinnen leiden unter Brustkrebs. Rein äußerlich handelt es sich um dieselbe Erkrankung. Doch während die Therapie einmal funktioniert, ist sie bei der anderen Patientin wirkungslos. Den Tumoren liegen unterschiedliche genetische Mechanismen zu Grunde und die verlangen nach unterschiedlichen Therapien. In „Biobanken“ werden solche Tumorproben gesammelt und Forschern zur Verfügung gestellt.

Untergruppen von Krankheiten verstehen

Das Ziel sei mehr über die verschiedenen Untergruppen einzelner Erkrankungen herauszufinden, seien es Infektionskrankheiten, Diabetes oder Krebs, sagt der Pathologe Kurt Zatloukal von der Medizinischen Universität Graz.

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Über die „Europe Biobank Week“ berichtet heute auch das „Mittagsjournal“, 15.9., 12.00 Uhr.

„Im Rahmen der personalisierten Medizin müssen wir viel besser verstehen, welche Faktoren einen individuellen Krankheitsverlauf bestimmen“, erläutert Zatloukal. Und diese Informationen bekomme die Wissenschaft in erster Linie aus der Untersuchung von erkrankten Gewebe- und Blutproben.

Die größte Biobank Österreichs - und eine der größten Europas - befindet sich an der Universität Graz. Dort werden biologische Proben der Patientinnen und Patienten des Landeskrankenhauses gesammelt. Mittlerweile verfügt die Biobank über mehr als siebeneinhalb Millionen Proben, die bei minus 80 bis bis minus 150 Grad Celsius gelagert werden.

Daten genau so wichtig wie Proben

Den Biobanken geht es jedoch nicht nur um die biologischen Proben. Sie brauchen auch die Patientendaten, Informationen zum Lebenstil und dem Krankheitseverlauf, um das Untersuchungsmaterial entsprechend auswerten zu können. „Nur dann kann ich eine Veränderung, die in einem Gewebe nachgewiesen wird, auch biologisch interpretieren und erkennen, welche Bedeutung sie letztlich für den Verlauf einer Erkrankung hatte“, so der Pathologe.

Bei seltenen Erkrankungen sei es besonders wichtig, auf Biobanken zurückgreifen zu können und zwar international, erläutert Kurt Zatloukal, der das Europäische Biobankennetzwerk, BBMRI in Österreich koordiniert. Denn eine kritische Menge an Gewebeproben zu bekommen, die standardisiert erhoben und archiviert wurden, ist bei wenigen Erkrankten besonders schwierig.

Informierte Einwilligung notwendig

Unabhängig von der Art der Erkrankung gilt: Bevor Proben und Daten von Patienten in Österreich erfasste werden können, müssen diese eine informierte Einwilligung geben. Denn mit den Proben wird auch ein genetischer Fingerabdruck abgegeben. Ob und welche Bedenken es in diesem Zusammenhang gibt, wurde in den vergangenen Jahren untersucht, etwa im Rahmen von Citizen Expert Panels. Hier hat die Politologin Anna Durnová vom Institut für Höhere Studien gemeinsam mit Melanie Goisauf und Johannes Starkbaum von der Universität Wien untersucht, wie groß die Zustimmung zu Biobanken in der österreichischen Bevölkerung ist.

„In den vergangenen drei Jahren hat sich herauskristallisiert: Nicht die Probe an sich, sondern die Daten, die Informationen, die mit dieser Probe weitergegeben werden, sind das Thema der ethischen Diskussionen“, sagt Durnová. Auch wenn die Zustimmung in der österreichischen Bevölkerung prinzipiell groß ist, zeigen die Befragungen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger gerne ausführlicher mit dem Thema Biobanken beschäftigen würden - und zwar bereits bevor es im Krankenhaus um die informierte Einwilligung geht.

Datensicherheit besonders wichtig

Das liegt nach Ansicht von Anna Durnová auch daran, dass Datensicherheit insgesamt ein immer wichtigeres Thema wird. „Die Bürgerinnen und Bürger, nicht nur in Österreich, achten viel mehr darauf, wohin die Informationen gehen, an wen sie gehen und wie sie dann verwendet werden“, so die Politologin.

Hier sei den Patienten vor allem eines wichtig: dass ihre Proben und Daten ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Pharmafirmen können für Forschungsprojekte zwar auf die Proben zugreifen. Voraussetzung dafür ist mittlerweile aber, dass die Patienten genau über solche Vorhaben informiert werden. Darüber hinaus ist der Handel mit Patientendaten oder Gewebeproben EU-weit verboten.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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