Ein Leben ohne Müll

Seit einigen Jahren lebt die Franko-Amerikanerin Bea Johnson einen „Zero-Waste“-Lebensstil. Jetzt will sie die Welt von den Vorzügen eines Lebens ohne Wegwerfprodukte oder Verpackungen überzeugen. Sie machte in Wien Zwischenstopp.

Manches vergisst Bea Johnson bei ihren Auftritten nie: ihre Wimperntusche aufzutragen (selbstgemacht, aus verbrannten Mandeln und Öl) und den Hinweis, dass ein einfaches Leben nicht bedeutet, dass man eine Art „Hippie“ werden müsste.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 22.9. um 12:00.

In ihrem schwarzen Kostüm mit hochhackigen Schuhen würde sie auch wirklich niemand dafür halten. Und trotzdem: Bea Johnson ist die Ikone der Zero-Waste Bewegung, also von einem derzeit eher alternativen Lebensstil, der möglichst wenig oder gar keinen Müll hinterlassen will.

Freiheit eines Lebens ohne Überfluss

Darauf gekommen ist Johnson vor zehn Jahren, als sie mit ihrem Mann und zwei Kindern von einem Haus in eine Wohnung umgezogen ist, und einen Großteil ihrer Sachen nicht mitnehmen konnte. Sie fühlte sich geradezu befreit, erzählt sie, bemerkte, dass sie mehr Zeit für Familie und Hobbies hatte - und begann sich immer mehr für einen minimalistischen Lebensstil zu interessieren. Irgendwann ist das Umweltbewusstsein dazugekommen: Sie wolle ihren Kindern keine zugemüllte Welt hinterlassen.

Bea Johnson mit Müllglas

Isabella Ferenci, ORF

Bea Johnson und ihr Müll

Seit 2008 teilt die in Frankreich geborene und in Kalifornien lebende Autorin ihre Tipps und Tricks für ein müllfreies Leben auf einem Internetblog. Vor einigen Jahren hat sie auch ein Buch daraus gemacht. Auf ihrer derzeitigen Vortragstour trägt sie ihren gesamten Jahresmüll durch die Welt, in einem Einmachglas - das sie natürlich in Wien in ihrer Handtasche dabei hat.

Müll mit Geschichte

Zu jedem Stück hat sie eine Geschichte: die gelbweißgestreifte Tamponhülle aus Plastik erinnert sie an eine Party, wo eben auch Leute waren, die nichts von ihrem Lebensstil wussten, dann ist da noch Sandpapier von den Renovierungsarbeiten oder die alte Handyhülle ihres Mannes - der Müll scheint mehr eine kleine Nostalgiefundgrube zu sein, wenn man ihr so zuhört. Wer sonst kann schon zu jedem Stückchen Abfall eine Geschichte erzählen? „Mein Sohn macht sich lustig, dass wir einen so vereinfachten Lebensstil haben, aber den Müll der letzten fünf Jahre aufheben“, lacht Johnson.

Buchtipp

„Glücklich leben ohne Müll! Zero Waste Home: Reduziere deinen Müll und vereinfache dein Leben“, Bea Johnson, Steve-Holger Ludwig; Auflage: 1., Erstauflage (15. Oktober 2016)

Das einfache Leben bedeutet nicht, auf Dinge wie Handys zu verzichten, die man auch braucht - sondern es geht darum, bewusst darauf zu achten, was man alles nicht braucht: "Der erste Schritt ist zu lernen, „Nein" zu sagen, zu all den Dingen, die man nicht braucht, und die uns aufgedrängt werden.“ Damit meint Johnson zum Beispiel Reklame, Werbegeschenke oder Plastiksackerl und Verpackungen.

Denn selbst wenn man selbst kein müllfreies Leben anstrebt, wäre dieses einfache Neinsagen als erster Schritt etwas, das die Welt verändern könnte, meint Johnson, denn alle Länder haben ein Problem mit dem Müll: „Man muss sich als Konsument seiner Macht bewusst sein - alles was wir kaufen oder annehmen ist wie eine Stimme abzugeben. Damit können wir verschwenderische Praktiken oder nachhaltige unterstützen.“ Je mehr Leute dabei mitmachen, desto einfacher wäre es für alle, weniger Müll zu produzieren - weil es dann müllfreundlichere Angebote gäbe.

Kompost und Wiederverwertung

Bea Johnson geht natürlich weiter. Sie propagiert ein fünfstufiges Programm. Der erste Schritt ist das Neinsagen. Wer weiter gehen möchte, der mistet einmal ordentlich aus und beschränkt seine Haushalt aufs Wesentliche, tauscht in Folge Wegwerfartikel wie Schwämme oder Tücher gegen nachhaltige Produkte, wirft in Folge dann nichts mehr weg, sondern sucht nach Möglichkeiten, Dinge zu reparieren oder wiederzuverwerten – und kompostiert schließlich auch selbst.

Johnson kauft also nur lose Ware, hat eine Menge Glasbehälter und waschbare Baumwolltücher, und kauft nur notwendiges, das sich auch recyceln oder kompostieren lässt. Vieles lässt sie sich direkt abfüllen in eigene Container und Flaschen – wenn man die Geschäftsleute ein bisschen nervt, geht das, macht sie bei ihren Vorträgen Mut – und vor allem müsse man sich umschauen.

Einfaches Leben ist einfach

„Eine Frau bei meinem Vortrag in Innsbruck hat gesagt, das geht vielleicht bei mir in Kalifornien, aber hier kann sie doch nicht alles unverpackt bekommen – nachher bei einem Spaziergang durch die Stadt hab ich dann an jeder Ecke Unverpacktes gesehen! – man entwickelt da einfach auch eine andere Wahrnehmung für die Welt“, so hat sie der Dame aus Innsbruck gleich eine eigenen Blogeintrag gewidmet. Auf ihrer Website gibt es auch eine App, bei der sie ihr Publikum auffordert, alle Händler und Hersteller in der Gegend einzutragen, von denen man lose Ware bekommen kann.

Oft hört Johnson, dass das nach viel Aufwand klingt - aber das Gegenteil sei der Fall, versichert sie, sie spare sich eine Menge Geld und Zeit, und man könne sich gar nicht vorstellen wie glücklich es einen macht, weniger Dinge zu haben und wegzuschmeißen. „Das einfache Leben soll das Leben ja nicht komplizierter machen – sondern es vereinfachen,“ philosophiert Bea Johnson.

Isabella Ferenci, Ö1 Wissenschaft

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