Neue Spur im Fall „Hobbit“

Vor 50.000 Jahren verschwand der Flores-Mensch vulgo „Hobbit“ von der Bildfläche. Warum starb er aus? Ein Zahnfund führt zu einem Verdächtigen: Homo sapiens.

Eine Streitfrage ist seit Juni dieses Jahres geklärt. Homo floresiensis war kein moderner Mensch mit Schrumpfkopf, wie bisweilen vermutet wurde. Sondern eine eigenständige Menschenart von ausgesprochen zarter Statur. Größe: 1,20 Meter. Hirnvolumen: 380 Kubikzentimeter, also in etwa so groß wie eine Orange. Das sind die Körpermaße des „Hobbit“, der bis vor 50.000 Jahren auf der indonesischen Insel gelebt hat. Warum er ausstarb, ist unklar.

Licht ins urgeschichtliche Dunkel könnte nun ein neuer Fund in Liang Bua bringen - jene Kalksteinhöhle, in der bereits 2003 die ersten Überreste des Homo floresiensis entdeckt wurden. Der australische Archäologe Thomas Sutikna und sein Landsmann, der Geologe Richard Roberts, haben dort zwei 46.000 Jahre alte Zähne ausgegraben. Wie die Forscher kürzlich auf einer Konferenz in Madrid berichteten, stammen die Zähne aller Wahrscheinlichkeit nach von Homo sapiens. Zur Art Homo floresiensis gehören sie nicht, dafür sind sie zu groß.

Überlegener Konkurrent

Damit ist zwar noch nicht bewiesen, dass die beiden Menschenarten einander auf der Insel Flores begegnet sind. Gleichwohl macht das auf 4.000 Jahre geschrumpfte Zeitfenster eine solche Begegnung wahrscheinlich. Dass die eine Art just zu jener Zeit verschwand, da die andere die Insel betrat, ist nach Ansicht der beiden Forscher kein Zufall.

Sie vermuten: Homo sapiens war Schuld am Aussterben des „Hobbit“. Wohl nicht, weil er diesen umbrachte, sondern eher, weil er ihm technologisch oder als Jäger überlegen war und die auf der Insel knappen Ressourcen für sich beanspruchte. Anzeichen dafür gäbe es: Fossilien von Riesenstörchen, Wollkopfgeiern und Zwergelefanten lassen sich in Sedimenten bis zu einem Alter von 46.000 Jahren nachweisen. Gut möglich, dass der moderne Mensch diese Tiere gejagt und ausgerottet hat.

Das Muster jedenfalls könnte einem bekannt vorkommen. Als Homo sapiens vor 43.000 Jahren nach Europa kam, traf er dort auf den Neandertaler, der den Kontinent schon viel früher besiedelt hatte. Das weiß man unter anderem durch die für den Neandertaler typischen Steinwerkzeuge, auch „Moustérien-Artefakte“ genannt. Sie wurden in ganz Europa nachgewiesen, die Fundorte reichen von der Schwarzmeer- bis zur Atlantikküste. Vor 40.000 Jahren verschwanden die Werkzeuge an all diesen Orten. Laut Messungen des Oxforder Archäologen Tom Higham fast zur gleichen Zeit.

Robert Czepel, science.ORF.at

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