Gentechnik im rechtlichen Graubereich

In der Pflanzenzüchtung herrscht Goldgräberstimmung. Denn Methoden wie Crispr/Cas verändern das Erbgut mit ungekannter Geschwindigkeit und Genauigkeit. Aber fallen die Verfahren unter „Gentechnik“? Die österreichische Position ist klar, die europäische nicht.

Genschere, Genchirurgie - wenn Forscherinnen und Forscher über die Methode mit dem sperrigen Namen Crispr/Cas sprechen, greifen sie zu bildhaften Vergleichen. Schere, Chirurgie - diese Bilder treffen durchaus zu, sagt Helmut Gaugitsch, Abteilungsleiter für Landnutzung und biologische Sicherheit im Umweltbundesamt: „Verglichen mit der konventionellen Züchtung und der Gentechnik bisher kann mit dieser Methode gezielter verändert werden, weil eben an einem bestimmten Ort im Genom angedockt werden kann.“

Wie Crispr/Cas funktioniert

Die CRISPR/Cas-Methode (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) ist eine biochemische Methode, um Erbgut gezielt zu schneiden und zu verändern. Die Wissenschaft nutzt einen RNA-Komplex (CRISPR), um eine „DNA-Schere“ gezielt an Stellen von Erbgut zu steuern, wo sie dann schneiden sollten. Das ist die Voraussetzung für alle Arbeiten, um Erbgut künstlich zu verändern bzw. neue Erbinformationen einzuschleusen.

Weltweit arbeiten zahllose Labors an Pflanzen, deren Erbgut mit Crispr/Cas verändert wurde, so Gaugitsch: „Zum Beispiel an krankheitsresistentem Reis oder Kartoffeln, teilweise werden Resistenzen gegen Unkrautvernichtungsmittel eingebracht, aber es gibt auch Beispiele, wo Inhaltsstoffe verändert werden.“

Gentechnik oder doch nicht?

Diese durch Crispr/Cas erzeugten Veränderungen sind in manchen Fällen so klein, dass sie von einer natürlichen Mutation nicht mehr unterschieden werden können. „Auf dieser Basis wird debattiert, ob ich wegen dieser schwierigen bis fehlenden Nachweisbarkeit, ob Crispr/Cas angewandt wurde oder nicht, zum Schluss kommen kann, das ist Gentechnik oder nicht.“

Und genau vor diesem Problem stehen derzeit weltweit jene Behörden, die für die Zulassung neuer Pflanzen verantwortlich sind. Die Antwort auf die Frage „Gentechnik ja oder nein?“ entscheidet darüber, welcher Prüfung die Pflanzen unterzogen werden und ob sie dann letztlich als Gentechnik gekennzeichnet werden oder nicht.

Klare Position in Österreich

In Österreich ist die Haltung klar. „All diese neuen Techniken wie Crispr/Cas und so weiter erzeugen gentechnisch veränderte Organismen - zumindest nach der österreichischen Rechtslage“, sagt Dietmar Vybiral, der im Gesundheitsministerium zuständiger Experte für Gentechnik. Dass das Endprodukt, also etwa die Rapspflanze oder der Apfel, genauso gut durch eine natürliche Kreuzung oder schon lange zugelassene Methoden wie Bestrahlung oder chemische Behandlung hätten entstehen können, ist für den Molekularbiologen kein Argument.

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Denn in Europa zählt nicht das Ergebnis, sondern die Art der Herstellung. Die nun diskutierten neuen Züchtungsmethoden greifen künstlich in das Erbgut ein, indem sie sie etwa widerstandsfähiger gegen Trockenheit oder Schädlinge machen: „Dementsprechend ist das alles nicht natürlich, es ist gezielt, und wenn es gezielt ist, fällt es unter das österreichische Gentechnikgesetz.“

Beispiel Apfelschorf

Befürworter der neuen Züchtungsmethoden führen immer wieder ins Treffen, dass sie natürliche Prozesse nur beschleunigen. Als Beispiel wird etwa der Apfelschorf genannt, eine Pilzerkrankung bei Äpfeln. Will man ihn wegzüchten, musste man bisher 20 Jahre lang immer wieder kreuzen, chemisch behandeln und sogar radioaktiv bestrahlen - das ist erlaubt.

Man könnte die Anlage für die Krankheit aber auch direkt im Erbgut herausschneiden, das ermöglichen die neuen Methoden schneller und präziser als bisher, so Dietmar Vybiral vom Gesundheitsministerium: „Da kann man durchaus sagen: Das ist etwas Positives. Ich erspare mir jede Menge an Antibiotika, die ich ausbringen muss etc.“ Gleichzeitig fügt er hinzu: „Es ist ja nicht verboten, einen gentechnisch veränderten Organismus herzustellen. Man muss ihn nur kennzeichnen.“

EU-Kommission ringt um Empfehlung

Saatgut, Pflanzen, Obst und Gemüse mit Gentechnik-Stempel - das ließe sich so gut wie nicht verkaufen. Auch deshalb sprechen sich Konzerne wie Bayer, das vor Kurzem Monsanto geschluckt hat, und auch der österreichische Verein konventioneller Saatgut- und Pflanzenhersteller, Saatgut Austria, klar gegen eine Einstufung von Crispr/Cas als Gentechnik aus. Ihr Argument: Was in der Natur entstehen kann, ist auch dann, wenn es im Labor produziert wird, keine Gentechnik.

In diesem Spannungsfeld finden die Beratungen in der EU-Kommission statt, in deren Arbeitsgruppe Dietmar Vybiral Österreich vertritt. Wann eine Empfehlung vorliegen wird? „Ja, das fragt sich schon ganz Europa. Es wird regelmäßig nachgefragt in den Sitzungen, die Kommission sagt: ‚Wir arbeiten dran.‘“

Nur eines weiß der Experte des Gesundheitsministeriums sicher: Würden Crispr/Cas und weitere ähnliche Methoden von der EU-Kommission nicht als Gentechnik eingestuft, würden zumindest 15 Mitgliedsstaaten dagegen Einspruch erheben - darunter auch Österreich.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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