Im Zeppelin um die Venus

Fast 50 Raumsonden sind bisher zur Venus geflogen - unbemannt. In Zukunft könnten auch Menschen mit an Bord sein: Entsprechende Pläne wurden auf dem „International Astronautical Congress“ in Guadalajara in Mexiko vorgestellt.

Viel ist nicht los auf der Venus. Oder um sie herum. Gerade einmal eine einzige Raumsonde umkreist unseren Nachbarplaneten, und zwar Japans Akatsuki. Während sich der Mars des Ansturms von Orbitern, Landern und Rovern aus aller Herren Länder kaum erwehren kann, herrscht auf der Venus gähnende Langeweile.

Planet Venus, im Hintergrund die Sonne

JAXA/NASA/Hinode

An der Sonne vorbei: Venustransit, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hinode

Warum meiden die Erdlinge ihren Nachbarn im All? „Ich denke, es liegt daran, dass die Venus ein sehr, sehr heißer Planet ist, auf dessen Oberfläche kein Leben möglich ist“, so die Luft- und Raumfahrtingenieurin Johanna Pardo von der Universität Stuttgart . „Bemannte Missionen auf die Oberfläche der Venus sind sehr, sehr schwer, und sie wären sehr gefährlich.“

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Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 29. 9., 13.55 Uhr

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IAC 2016, Guadalajara

Alle robotischen Sonden haben bisher nur ein paar Stunden durchgehalten. „Es wäre interessant, wenn eine Technologie entwickelt werden würde, mit der sich Menschen mehrere Stunden auf der Venus aufhalten können“, wünscht sich Pardo.

Die gibt es aber nicht – zumindest vorerst noch nicht. Man müsse aber nehmen, was da ist, findet die Raumfahrtarchitektin Bora Aliaj von der Cairo University. „Es gibt eine andere Möglichkeit: Wir könnten auf der Venus Cloud Cities errichten, Städte in den Wolken.“

In 50 Kilometer Höhe ist die Venusatmosphäre der der Erde ziemlich ähnlich. Die Temperaturen, die Schwerkraft und die Druckverhältnisse sind fast identisch. Menschen könnten sich dort also in schwebenden Habitaten aufhalten, einer Art von Luftschiffen, die sich über den Wolken befinden.

Schwebende Gewächshäuser

Damit hätten die Bewohner dieser Venuszeppeline auch gleich den größten Teil ihrer Grundversorgung um sich herum: Aus dem Kohlendioxid der Atmosphäre ließe sich Wasser gewinnen. Benachbarte Luftschiffe könnten als Gewächshäuser dienen. Somit würde diese schwebende Venussiedlung völlig autark existieren. Sie wäre nicht auf permanenten Nachschub von der Erde angewiesen, betont Johanna Pardo.

„Um über längere Zeit eine bemannte Mission gewährleisten zu können, braucht man ein geschlossenes Lebenserhaltungssystem.“ Dazu gehöre beispielsweise, dass getrunkenes Wasser nach dem Ausscheiden wieder aufbereitet wird, sodass es erneut verwendet werden kann – so wie es derzeit auf der Internationalen Raumstation geschieht.

Oberfläche der Venus

NASA/JPL

Mosaik aus Radarbildern: die Oberfläche der Venus

Auf der ISS funktioniert zwar das Wasserrecycling. Dennoch ist die Besatzung auf ständige Nahrungslieferungen von der Erde angewiesen. Auf der Venus ginge das nicht. Da es auf der Venusoberfläche nichts zu holen gibt, stünde der Besatzung einzig das zur Verfügung, was in ihren Luftschiffen wächst – eine Herausforderung, findet die Weltraumarchitektin Bora Aliaj.

„Die ersten Missionen würden Astronauten und Wissenschaftler durchführen. Sie sollen die nötigen Daten sammeln, um festzustellen, ob längerfristige Aufenthalte auf der Venus möglich sind.“ Wenn daraus erst einmal eine Siedlung geworden sei, sollte sie früher oder später auch offen sein für Weltraumtouristen. „Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen wie mit der ISS, sie also irgendwann aufzugeben“, so Aliaj. Nach fünf oder sechs Jahren müssten zahlende Venusurlauber dafür sorgen, dass die Kolonisierung des Planeten vorangeht.

Treibhauseffekt auf der Venus

Diese Siedler und Weltraumtouristen bekämen von den Problemen der Venus nichts mit. Denn die befinden sich unter ihrer dicken Wolkendecke. Vermutlich setzen Vulkane dort permanent Kohlendioxid frei. Es hängt wie eine Glocke über der Oberfläche und sorgt gemeinsam mit der nahen, heißen Sonne dafür, dass die Venus einem Backofen gleicht. „Die Venus ist auch deshalb so interessant, weil sie der Erde einmal sehr ähnlich war“, sagt Johanna Pardo. So könnten Forscher vor Ort den Treibhauseffekt der Venus analysieren und ihre Erkenntnisse dann auf die Erderwärmung übertragen.

Zur Venus gelangen die Zeppeline zusammengefaltet. Das spart Platz, Treibstoff und damit letztlich Geld. Erst in der Atmosphäre würden sie sich selbst aufblasen. Weitere Missionen würden dann Astronauten zur Venus befördern, zu ihrem neuen Zuhause, dem Zeppelin über den Wolken.

„Auf der Venus gibt es sehr, sehr starke Winde“, so Raumfahrtingenieurin Pardo. Ein Habitat in der Atmosphäre würde somit mit den Winden die Venus umrunden. Um unkontrollierte Flugmanöver zu vermeiden, sollte der Zeppelin über einen Propeller oder eine Art von Motor verfügen.

Bei der Idee eines Propellerzeppelins ist der amerikanische Raumfahrtkonzern Northrop Grumman Aerospace Systems aus Kalifornien hellhörig geworden. Die Firma hat das Konzept für VAMP entwickelt, der Venus Atmospheric Maneuverable Platform. Dabei handelt es sich um ein unbemanntes Fluggerät, das sich durch die Atmosphäre bewegt. „Es operiert völlig autonom“, so Greg Lee von Northrup Grumman.

„Nach der Ankunft an der Venus werden wir zunächst ein interessantes Gebiet aussuchen, bevor VAMP kontrolliert in die dicke Wolkendecke eintaucht.“ VAMP wäre also ein unbemannter Venuszeppelin. Aber wenn Europäer oder Amerikaner ihre Augen einmal für einen Moment vom Mars lösen würden und in die andere Richtung blicken, könnte die Cloud City auf der Venus auch für Menschen Realität werden.

Guido Meyer, science.ORF.at

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