Forscher beobachten Quasiteilchen bei der Geburt

Die Geburt von Quasiteilchen ist eine flotte Angelegenheit, sie dauert normalerweise weniger als eine Billiardstel Sekunde: Innsbrucker Physiker haben diesen Vorgang nun „live“ beobachtet.

Quasiteilchen sind keine eigenständigen Elementarteilchen, sondern vielmehr Zustände eines Teilchens, das mit seiner Umgebung in Wechselwirkung tritt. Ihre Bezeichnung stammt vom russischen Physiker Lew Landau (1908-1968), der von Elektronen ausging, die sich durch einen Festkörper bewegen und diesen dabei verzerren. Das ganze Objekt, also Elektron und Verzerrung, kann dabei als Quasiteilchen beschrieben werden.

Ein Polaron entsteht

Ein Problem mit diesen Gebilden ist, dass ihre Bildung sehr schnell vor sich geht: Bei einem sogenannten „Fermi-Polaron“ - einer speziellen Art der Quasiteilchen - in einem Festkörper dauert das nur etwa 100 Attosekunden, also 100 Milliardstel von einem Milliardstel einer Sekunde. „Es passiert also wahnsinnig schnell, dass sich diese Art Polarisationswolke um die einzelnen Elektronen herum bildet - normalerweise zu schnell, um es beobachten zu können“, sagte Rudolf Grimm vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Akademie der Wissenschaften.

Illustration: Geburt eines Quasiteilchens

IQOQI/Harald Ritsch

Quasi ein Teilchen: Polaron in künstlerischer Darstellung

„Unser Trick ist, dass wir uns die gleiche Physik mit einem anderen System anschauen“, erklärte der Forscher. Ein solches Polaron entsteht nämlich auch, wenn sich unter bestimmten Bedingungen ein Kalium-Atom durch ein nur knapp über dem absoluten Nullpunkt (bei minus 273 Grad Celsius) abgekühltes Quantengas aus Lithium bewegt und abstoßend auf die umgebenden Lithium-Atome wirkt. Der Vorteil hier: Aufgrund der geringeren Dichte ist auch weniger Energie im System und entsprechend langsamer läuft die „Geburt“ ab. „Die Polaronen bilden sich dann in zehn bis 20 Mikrosekunden (millionstel Sekunden, Anm.) aus“, sagte Grimm.

Das stelle zwar immer noch eine große Herausforderung für die Messung dar, trotzdem ist es Grimms Team in Zusammenarbeit mit Theoretikern der Harvard University, der TU München und der Monash University in Australien gelungen, den Vorgang in Echtzeit nachzuvollziehen. Durch die extrem schnelle Verschiebung einer magnetischen Resonanz mittels Laserlicht fanden die Wissenschafter „den entscheidenden Trick“, wie die Messung zeitlich derart hochauflösend gelingt.

Neues Fenster in Teilchenwelt eröffnet

Obwohl alles so unglaublich schnell geht, zeigte sich, dass der Prozess eine gewisse Zeit zum Anlaufen braucht. Dann werden die Geburtswehen schnell stärker, erklärt Grimm, „dann gibt es eigentümliche Schwingungen und letztendlich geht das Ganze in einen stationären Bereich über - das Quasiteilchen hat sich formiert und befindet sich in einem Gleichgewicht. Das ist einfach ein komplett neues Fenster, in das man hineinschauen kann.“

Natürlich handle es sich hier noch um absolute Grundlagenarbeit, sagt Grimm. In einer aktuellen Arbeit haben aber Kollegen von ihm herausgefunden, dass diese Art der Polaronen auch in echten Festkörpern auffindbar sind. Solche Phänomene könnten dabei helfen, neue, sehr schnelle Schaltkreise in Halbleitermaterialien zu entwickeln.

science.ORF.at/APA

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