Mindesthaltbarkeit: Ein Irrtum

Pro Jahr landen in Österreich 760.000 Tonnen Lebensmittel im Müll. Ein Grund: Viele verwechseln das Mindesthaltbarkeits- mit einem Wegwerfdatum. Die EU überlegt deshalb nun, bei Produkten wie Mehl und Kaffee ganz auf dieses Datum zu verzichten.

15 bis 33 Prozent des Lebensmittelabfalls in privaten Haushalten sind laut Studien auf folgenden Irrtum zurückzuführen: „Manche denken, dass der Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums bedeutet, dass das Lebensmittel verdorben ist und entsorgt gehört“, erklärt Amire Mahmood, Leiterin der Abteilung für Lebensmittelrecht des Gesundheitsministeriums.

Verbrauchsdatum vs. Mindesthaltbarkeit

Einem tatsächlichen Ablaufdatum kommt allerdings nur das Verbrauchsdatum gleich, das beispielsweise auf Fisch oder Fleisch gedruckt wird und angibt, bis wann das Produkt gegessen werden kann. Die Mehrzahl an Lebensmitteln wird aber mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. „Mindestens haltbar bis“ versteht sich dabei als Garantie, dass original verschlossene Lebensmittel bei richtiger Lagerung mindestens bis zu diesem Zeitpunkt so schmecken, riechen und aussehen, wie am Tag des Kaufs.

Um unnötigen Lebensmittelabfall zu vermeiden, forderte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser im April, dass man bei „den Hinweisen zu Lebensmitteln nachbessern müsse.“ Konkrete Ideen oder geplante Aktionen gibt es auf Nachfrage beim Ministerium aber noch nicht.

EU Recht regelt Haltbarkeitsdaten

Eines steht zumindest fest: Österreich kann nicht im Alleingang Waren hinsichtlich ihrer Haltbarkeit anders beschriften. „Wie Lebensmittel zu kennzeichnen und mit welchen Informationen sie zu bedrucken sind, ist EU-weit einheitlich geregelt“, erklärt die Juristin Mahmood. Gegen Vorschläge, wie man Haltbarkeitshinweise sinnvoll ändern soll, spricht hingegen nichts. Hierzulande möchte man aber erst „sehen und abwarten, was sich auf EU-Ebene entwickelt“, ergänzt Mahmood.

ORF Schwerpunkt

Unter dem Titel „Mutter Erde“ widmen sich vom 1.- 22. Oktober zahlreiche Radio- und TV-Sendungen sowie Online-Beiträge der Frage, was seit dem ersten Schwerpunkt zu Lebensmittelverschwendung im März 2016 passiert ist.

Gelegenheit dazu gibt es Ende November in Brüssel. Hier werden im Rahmen einer neuen EU-Plattform sowohl Vertreter der EU-Mitgliedstaaten als auch Konsumentenvertretungen und NGOs, ebenso wie Repräsentanten aus der Lebensmittelindustrie über mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfall diskutieren - auch das Gesundheitsministerium wird sich beteiligen. „Ob daraus letztlich eine neue Verordnung entsteht oder bestehende angepasst werden, ist denkbar, aber noch völlig unklar“, erläutert Mahmood.

Mehr Lebensmittel ohne Datum

Bereits länger im Raum steht der Vorschlag, Lebensmittel mit einer langen Haltbarkeit wie Reis, Nudeln, Tee und Kaffee in die Liste jener Produkte aufzunehmen, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum benötigen - dazu gehören bereits Salz, Essig und Zucker, aber auch frisches Obst und Gemüse - hier geht man davon aus, dass sie in den Tagen nach dem Einkauf verzehrt werden. Befragt man österreichische Konsumentinnen und Konsumenten, so würden 74 Prozent das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Produkten wie Tee oder Mehl nicht benötigen. Das zeigt eine Umfrage der Europäischen Kommission, bei der der EU-Durchschnitt bei 54 Prozent liegt.

Ö1 Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 13.10, 13:55 Uhr.

Aus juristischen Überlegungen ist es allerdings schwierig, sich auf einen Katalog zu einigen, erläutert Mahmood. „Wenn man kein Mindesthaltbarkeitsdatum angibt, dann müsste man garantieren können, dass die spezifischen Eigenschaften der Lebensmittel immer gegeben sind, wie eben bei Salz, Zucker, Wein und Essig. Letztlich geht es auch darum, die notwendige Qualität zu garantieren. Bei Kaffee beispielsweise bin ich mir nicht sicher, ob das so möglich ist wie bei Essig.“ Dieses Problem stellt sich auch bei der Idee, Lebensmittel mit einer bestimmten Haltbarkeitsdauer generell ohne Mindesthaltbarkeitsdatum zu lassen - also angenommen, alle Waren, die ihre Qualität länger als drei Monate halten.

Der Geruchs-, Seh- und Geschmackstest

Eine andere Möglichkeit, das Wegschmeißen von genießbaren Lebensmitteln zu vermeiden heißt: riechen, sehen, schmecken. Damit lässt sich normalerweise gut testen, ob das Joghurt oder die Tomatensoße noch genießbar ist. Zudem wünschen sich gemäß der EU-Umfrage 45 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten bessere Aufbewahrungshinweise auf Lebensmitteln. So sind die meisten Obst- und Gemüsesorten gekühlt länger haltbar. Brot hingegen verdirbt im Kühlschrank schneller.

Rechnet man die Lebensmittel und Speisereste zusammen, die jährlich in Österreich weggeworfen werden, kommt man geschätzt auf etwa 760.000 Tonnen - alleine 357.000 Tonnen stammen aus den Haushalten. EU-weit spricht man von 46,5 Millionen Tonnen jährlich in Haushalten und insgesamt von 88 Millionen Tonnen Essensabfall. Bis 2030 möchte die Europäische Kommission dies auf die Hälfte reduzieren. Welche Maßnahmen hierfür letztlich ergriffen werden, ist noch unklar. Allerdings müssen die EU-Staaten bereits ab dem Jahr 2020 alle zwei Jahre ihre Müllreduktionsfortschritte an die EU-Kommission melden. Die dafür notwendige Messmethode wird zurzeit EU-intern erarbeitet.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: