Vogeldreck kühlt die Arktis

Kaum eine Region ist so sehr von der globalen Erwärmung betroffen wie die Arktis. Dabei könnte es noch schlimmer sein, wenn nicht natürliche Mechanismen den Trend bremsten. Forscher haben nun eine solche Bremse ausfindig gemacht: den Kot von Seevögeln.

In der nördlichen Polarregion ist es kalt, unwirtlich und lebensfeindlich. Dennoch ist die Arktis der Lebensraum zahlreicher Arten, besonders Vögel scheinen sich hier wohl zu fühlen. Es gibt etwa 50 arktische Seevogelarten, z.B. Albatrosse, Seeschwalben und Kormorane. Im Sommer tummeln sich besonders viele Vögel in der eisigen Landschaft, denn viele kommen zum Brüten aus südlicheren Regionen hierher. Zwischen Mai und September nisten in der Arktis Millionen Brutpaare.

Lebensraum profitiert von Bewohnern

Wie die Simulationen der Forscher um Betty Croft von der kanadischen Dalhousie University nun nahelegen, profitiert der arktische Lebensraum von der sommerlichen Anwesenheit der Vogelpaare, genauer gesagt von ihren Ausscheidungen. Diese enthalten nämlich Ammoniak. Zusammen mit atmosphärischer Schwefelsäure, die aus dem Meer stammt, und Wasser können daraus neue, wenige Nanometer große Partikel entstehen. Durch Kondensation von Schwefelsäure und anderer organischer Dämpfe können diese auf 50 bis 80 Nanometern anwachsen.

In dieser Größe können aus den Partikeln Kondensationskeime werden, aus denen in Verbindung mit Wasserdampf letztlich Wolken entstehen können. Diese Wolken verringern die Sonneneinstrahlung und dämpfen auf diese Weise die Erwärmung.

Spitzen im Sommer

Laut den Forschern bilden sich in den Sommermonaten tatsächlich besonders viele Partikeln über der Polarregion, vor allem rund um die Brutzonen. Ammoniak aus dem Vogelkot sei für diese saisonale Schwankung verantwortlich. Die Berechnungen zeigen, dass die Konzentration der chemischen Verbindung über großen Teilen der eisfreien Arktis im Sommer um 50 bis 500 Prozent ansteigt.

Die daraus entstehenden Wolken reflektieren einen Teil der Sonnenstrahlen ins All. Die Arktis erwärmt sich den Forschern zufolge dadurch weniger als dies ohne die ammoniakhaltigen Ausscheidungen der Fall wäre. Der Unterschied in der Bestrahlungsstärke liege vermutlich zwischen 0,5 bis 1 Watt pro Quadratmeter. Das sei ein signifikanter regionaler Effekt.

Auch der Vogelkot wird die Erwärmung der Arktis nicht aufhalten können. Die Ergebnisse werfen laut den Forschern aber ein Licht auf das komplexe Zusammenspiel in Ökosystemen, bei dem auch tierische Bewohner wie Seevögel eine wichtige Rolle spielen. Und diese Mitspieler könnten in Zukunft selbst Opfer des Klimawandels werden, wenn es etwa zu warm wird für die Tiere oder sich ihre Wanderrouten verändern.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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