Ein unmögliches Paar?

„Grüne Wirtschaft“ steht für den Spagat, Kohle, Öl und Gas durch Wasser, Wind und Sonne zu ersetzen und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln. Laut einer aktuellen Studie ist das in der Vergangenheit nicht gelungen. Sieht unsere Zukunft deshalb grün, aber arm aus?

Den Zusammenhang zwischen Energieverbrauch, CO2-Ausstoß und Wirtschaftswachstum hat ein Team um den Wirtschaftswissenschaftler Nikolaos Antonakakis von der Webster University am Beispiel von 105 Ländern analysiert - mit einem eindeutigen Ergebnis: „Die umweltschädlichsten Energieformen wie Öl, Kohle und Elektrizität lassen die Wirtschaft am stärksten wachsen.“

Rütteln an Maßzahl

Die Studie bezieht sich auf die Jahre 1971 bis 2011, also mehrheitlich die Zeit, in der energieintensive Wirtschaftssparten mit Kohle, Öl und Gas befeuert wurden. Noch in den 90er Jahren, als die Umstellung auf erneuerbare Energieträger bereits begonnen hat, fanden sich - von Ausnahmen abgesehen - laut Studie keine verallgemeinerbaren Hinweise, dass dies die Wirtschaft langfristig wachsen lässt.

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Über das Thema berichtet auch „Wissen Aktuell“ am 16.11.2016 um 13.55 Uhr.

Aus der Studie zu folgern, dass sich der Ausbau erneuerbarer Energieformen nicht rentiert, wäre aber falsch, so Nikolaos Antonakakis. Er rüttelt vielmehr an einem Kernindikator der Wirtschaftswissenschaften: „Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht das beste Maß wirtschaftlichen Erfolgs, denn es berücksichtigt weder die Qualität der Produkte noch die Beeinträchtigung der Umwelt noch im Privaten erbrachte Leistungen wie Kinderbetreuung und Pflege.“

Positivbeispiel China

Der Wirtschaftsforscher und Klimaexperte Stefan Schleicher von der Universität Graz hält hingegen fest, dass sich - gerade in Energiefragen - aus einer Analyse der Vergangenheit kein Szenario für die Zukunft zimmern lässt: Denn seit rund zehn Jahren zeige sich, so Schleicher, dass Wirtschaftswachstum und sinkender Energieverbrauch möglich ist. „Wir beobachten, dass die dynamischsten Ökonomien, an erster Stelle China, in der Lage sind, immer noch relativ hohes Wirtschaftswachstum mit fast stagnierendem Energieverbrauch zustande zu bringen.“ Das belegen laut Schleicher auch die jüngst publik gewordenen Zahlen zum CO2-Ausstoß, die in den letzten drei Jahren stabil geblieben sind - unter anderem, weil in China weniger Kohle verheizt wurde.

Dass der Ausbau erneuerbarer Energieformen das Wirtschaftswachstum ankurbeln kann, sehe man beispielsweise an Deutschland. Während Kohle, Öl und Gas zum Großteil importiert werden müssen, verlagere sich durch einen Umstieg auf erneuerbare Energieformen die Wertschöpfung ins Inland, so Wirtschaftsforscher Stefan Schleicher. Technologien und Bauteile für Sonnen- und Windkraftwerke werden in vielen Fällen im Inland - oder zumindest am selben Kontinent - entwickelt und hergestellt, seien ihrerseits aber wieder gefragte Exportgüter.

Weniger BIP, aber mehr Wohlstand

Dennoch räumt auch Stefan Schleicher ein: Wirtschaftlicher Erfolg könne nicht das einzig gültige Maß sein, es müsse durch andere Faktoren zumindest ergänzt werden. Man sehe heute, dass viele Komponenten, die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigen lassen, eigentlich Reparaturaufwendungen oder schlecht verwendete Ressourcen sind. „Ein schlecht gedämmtes Haus, das viel Energie verbraucht, erhöht den Umsatz und lässt das BIP steigen.“

In den nächsten Jahren werde der Übergang zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft das Wachstum antreiben, weil dafür neue Infrastruktur nötig ist. Langfristig sehe es aber anders aus, so Stefan Schleicher: „Ich gehe davon aus, dass das BIP möglicherweise sogar sinken, der Wohlstand aber steigen wird.“

Elke Ziegler, science.ORF.at

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