Rekorddistanz von „gedrehtem Licht“

Schon vor zwei Jahren haben Wiener Forscher mit gedrehtem Licht Information drei Kilometer quer über Wien gesendet. Nun berichten sie von einem neuen Rekord: Die Verdrehung des Lichts und die damit gesendete Information blieb über 143 Kilometer aufrecht.

„Twisted Light“ heißt der Fachbegriff für das verdrehte Licht, der Wiener Quantenphysiker Anton Zeilinger nennt es „Schrauben aus Licht“. „Konkret ist dabei die Phase, also der Zeitpunkt von Wellenberg und Wellental, jedes Photons - korrekterweise von dessen Aufenthaltswahrscheinlichkeit - verschoben“, erklärt Mario Krenn. Er ist Dissertant in Zeilingers Gruppe am Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) an der Universität Wien und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Ein derart verdrehtes Lichtteilchen hat damit einen Bahndrehimpuls - so wie die Erde auf ihrem Weg um die Sonne einen Bahndrehimpuls hat. Je öfter man ein Photon verdreht, umso größer wird dieser Impuls. Dabei kann man jedes einzelne Photon beliebig oft verdrehen, wobei die Zahl der Windungen der sogenannten Quantenzahl entspricht, die das Lichtteilchen beschreibt.

Dicht gepackte Information

Während man mit der Polarisation (der Schwingungsrichtung) eines Lichtteilchens nur ein Bit an Information übertragen kann, kann man durch Verdrehen eines Photons diesem im Prinzip beliebig viel Information einschreiben. Ein viermal verdrehtes Lichtteilchen kann zwei Bits übertragen, ein Photon mit acht Windungen drei Bits, usw.. Im Labor konnten so bereits Übertragungsraten von bis zu 100 Terabit pro Sekunde erreicht werden.

Bei der Übertragung in realistischen Szenarien, also etwa durch Luft, ist man aber noch nicht sehr weit. So waren die drei Kilometer Informationsübertragung per Lichtschraube durch die Wiener Physiker bisher unübertroffen. Nun haben Krenn und sein Team aber gezeigt, dass die in Lichtschrauben eingeschriebene Information auch nach 143 Kilometer mithilfe eines neuronalen Netzwerks korrekt ausgelesen werden kann. Konkret hat er die Nachricht „Hello World!“ zwischen Teleskopen auf den Kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa mittels Lichtschrauben übertragen und damit gezeigt, dass die besondere Lichteigenschaft auch über so große Distanzen erhalten bleibt.

Unerreichte Verdrehung

In einem zweiten Experiment wollten die Physiker gemeinsam mit Kollegen von der Australian National University in Canberra herausfinden, wie stark sich einzelne Photonen verdrehen lassen, ohne eindeutige Quanteneigenschaften zu verlieren. Viele Quantenphänomene können ja nur an einzelnen, gut abgeschirmten Teilchen beobachtet werden und gehen bei größeren Objekten verloren, die unkontrolliert mit der Umwelt wechselwirken.

Robert Fickler, der nach seiner Dissertation in der Zeilinger-Gruppe als Postdoc an der University Ottawa (Kanada) arbeitet, nutzte dazu von den australischen Kollegen entwickelte spezielle Spiegel. Sie verdrehen in einer einzigen Reflexion Lichtteilchen in bisher unerreichter Weise.

Enorm komplex

Zunächst stellte Fickler verschränkte Photonenpaare her, also zwei Lichtteilchen, die auch über große Distanzen über das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung wie von Zauberhand miteinander verbunden sind. Dann verdrehte er eines der Teilchen mithilfe der Spiegel 10.010 Mal, das ist hundertmal Mal stärker verdreht als in früheren Experimenten. Dann konnte er zeigen, dass die Verschränkung mit dem zweiten Teilchen auch bei so hohen Quantenzahlen aufrecht bleibt und die Quantenphysik die richtigen Vorhersagen liefert.

Bei den Experimente handelt es sich um Grundlagenforschung, zukünftige Anwendungen wollen die Wissenschaftler aber nicht ausschließen: „Schon die enorme Komplexität des erzeugten Lichtstrahls ist beeindruckend und kann als ein anschauliches Zeichen gesehen werden, wie viel Information auf so einem einzelnen Lichtquant Platz haben sollte“, so Fickler in einer Aussendung der Uni.

science.ORF.at/APA

Mehr zum Thema