Gen-Schere erstmals am Menschen getestet

„CRISPR/Cas9“ gilt als revolutionärste Methode der Gentechnik: Mit ihr kann man das Erbgut sämtlicher Lebewesen beliebig verändern. In China wurde die Gen-Schere nun erstmals bei Menschen angewendet.

Ende Oktober hatte ein Team um den Onkologen Lu You an einem Spital in Chengdu Immunzellen aus dem Blut eines Patienten entnommen, der unter Lungenkrebs leidet. Mithilfe von CRISPR/Cas haben die Forscher dann ein Gen aus der DNA „herausgeschnitten“, das die Immunreaktion üblicherweise verringert. Im Labor vermehrten sie diese Zellen und injizierten sie danach dem Patienten.

Bisher keine Berichte über Erfolg

Wenn alles nach Plan der klinischen Studie geht, sollten die aufgepeppten Immunzellen den Krebs bekämpfen. Ob dies auch der Fall ist, bleibt bisher unklar. Die Behandlung sei zwar glatt verlaufen, sagte Lu You gegenüber „Nature“. Wegen des Patientenschutzes wolle er aber aktuell keine Details über den Therapieverlauf geben.

Ö1 Sendungshinweis

Der Revolution in der Gentechnik widmet sich auch das Radiokolleg: 21.-24.11., 9:05 Uhr.

Geplant sind an dem Spital in Chengdu, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, Behandlungen von zehn Patienten. Sie sollen zwischen zwei und vier Impfungen mit den gentechnisch veränderten Immunzellen bekommen. Wirkungen und Nebenwirkungen wollen die Forscher ein halbes Jahr lang intensiv untersuchen.

Duell USA-China?

Dass der Ersteinsatz von CRISPR/Cas in China stattgefunden hat, könnte zu einem biomedizinischen Duell mit den USA führen – ähnlich wie das Wettrennen ins Weltall zwischen den USA und der Sowjetunion im Kalten Krieg: Dieser Meinung ist zumindest Carl June, Immunologe von der Universität Pennsylvania.

June ist der wissenschaftliche Berater für die ersten CRISPR/Cas-Versuche am Menschen in den USA, die Anfang nächsten Jahres starten sollen. Wie in China geht es dabei um Krebs. Vor dem Duell der beiden Biomedizin-Supermächte hat June keine Angst, wie er gegenüber „Nature“ meinte, denn: „Wettbewerb macht das Endprodukt üblicherweise besser.“

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

Mehr zu dem Thema: