Wer attraktiv ist, entscheidet die Gruppe
Gesichter sind für Menschen sehr interessant, weil sie viele Informationen liefern. Solche, die wir bewusst verarbeiten, wie das Geschlecht oder das Alter, und solche, die wir auch unbewusst verarbeiten, wie Attraktivität oder Vertrauenswürdigkeit. Wie diese Informationen genau verarbeitet werden, sei evolutionär bestimmt, sagt der Kognitionspsychologe Anthony Little von der Universität Bath, der bei einem Symposion zum Thema „Handlung, Wahrnehmung und Vorhersage“ der Forschungsplattform „Cognitive Science“ Gast an der Universittät Wien war.
Symmetrie entscheidend für Gesundheit
Denn sie sind nicht für die Auswahl der Sexualpartner und damit für die Fortpflanzung entscheidend, sondern auch für andere enge Sozialkontakte - den Freundeskreis. Beides sei für das Überleben eines Individuums entscheidend, so Anthony Little, und sichere den Fortbestand der Spezies. Denn Einzelgänger haben schlechtere Chancen durchzukommen, als Gruppen, die zusammenarbeiten.
Ein Faktor, der in diesem Zusammenhang als universell attraktiv wahrgenommen wird, ist Symmetrie. Nicht nur Menschen bevorzugen symmetrische Gesichtszüge, auch andere Tiere assoziieren damit Gesundheit und körperliche Fitness - wie Insekten, Fische oder Primaten. Das habe tatsächlich biologische Gründe, sagt Little: „Die Daten zeigen, dass Menschen mit symmetrischen Gesichtern tatsächlich seltener an Erkältungskrankheiten leiden.“
Und der Kognitionswissenschaftler ergänzt, dass Hinweise auf Krankheit auch einen Einfluss auf die Gesichtswahrnehmung haben. „Wir haben in einigen Studien zeigen können, dass Menschen symmetrische Gesichter noch attraktiver finden, wenn es Hinweise auf Krankheitserreger in ihrem Umfeld gibt, wie Husten oder Rotznasen“, so Little.
Gruppendruck und soziales Lernen
Doch neben biologischen Faktoren spielen auch soziale eine Rolle: Ob Menschen ein Gesicht attraktiv finden oder nicht, kann von der Meinung anderer abhängen, sagt Little: „Wird einer Frau beispielsweise gezeigt, dass viele andere Frauen einen Mann attraktiv finden, beurteilt sie dessen Aussehen ebenfalls positiver.“ Wird einer Frau umgekehrt gezeigt, dass andere Frauen diesen Mann ablehnen, empfindet sie ihn als weniger attraktiv. Das gleiche gilt umgekehrt auch für Männer.
Nach Ansicht von Anthony Little könnte das durchaus evolutionär bedingt sein: Anstatt selbst zu lernen, was attraktiv ist und dabei Fehler zu machen, die Zeit kosten, könnte das Urteil der Gruppe eine potenzielle Abkürzung zum richtigen Partner bedeuten. Dieser Mechanismus könnte selbst in sozialen Medien wirken: Wer dort viel Zuspruch bekommt, könnte demnach als attraktiver wahrgenommenw werden. Ob diese These tatsächlich hält, sollen zukünftige Studien zeigen.
Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft