Akademie-Wahlen nur für Frauen

Die niederländische Akademie der Wissenschaften versucht ihren niedrigen Anteil an Frauen radikal zu bekämpfen: Sie nimmt außertourlich 16 neue Mitglieder auf – ausschließlich Frauen. Keine gute Idee, meint Anton Zeilinger, Österreichs Akademiepräsident.

Die reinen Zahlen erklären aber, warum sich die Niederländer dazu entschlossen haben. Von den 556 Mitgliedern der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften (KNAW) sind nur 13 Prozent Frauen.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 23.11., 13:55 Uhr.

Damit liegt die KNAW im Weltschnitt, wie eine Studie vom Februar 2016 zeigt. 69 Akademien rund um den Globus wurden dabei untersucht, Ergebnis: Weltweit sind zwölf Prozent aller Akademie-Mitglieder weiblich. Die meisten Frauen – rund ein Viertel – gibt es in Kuba und Tschechien, am wenigsten in Italien, Ungarn und Polen. Die Österreichische Akademie liegt mit einem aktuellen Frauenanteil von 14 Prozent leicht über dem Schnitt.

Zeilinger: „Keine gute Idee“

Um die Zahl in den Niederlanden zu erhöhen, hat sich die KNAW zu dem drastischen Schritt entschlossen. Im Februar 2017 soll an die Pflanzenforscherin Johanna Westerdijk erinnert werden, die vor 100 Jahren die erste Uni-Professorin in den Niederlanden wurde; zu dem Anlass sollen zehn Mitglieder in die KNAW gewählt werden. Im Jahr darauf sollen sechs weitere folgen – in beiden Fällen ausschließlich Frauen.

Porträtfoto von Anton Zeilinger

APA - Hans Klaus Techt

Anton Zeilinger

Anton Zeilinger, ÖAW-Präsident, hält das für keine gute Idee: „Ich glaube nicht, dass man Frauen damit etwas Gutes tut. Denn manche Leute hätten ein Problem damit, dass jemand bei einer Wahl in die Akademie aufgenommen wird, in der ausschließlich Frauen zur Auswahl gestanden sind.“ Es gebe andere, bessere Möglichkeiten, um den Frauenanteil zu erhöhen, meint Zeilinger gegenüber science.ORF.at. Die ÖAW sei diesbezüglich auf einem guten Weg.

„Das geht nur durch eine Erhöhung des Bewusstseins. Mittlerweile wird auf jeder unserer Sitzungen über die Erhöhung des Frauenanteils diskutiert. Das bewirkt, dass wir heute bereits 40 Prozent mehr Frauen in der Akademie haben als noch 2011.“ Noch stärker sei die Tendenz bei den ÖAW-Doktorratsstipendien, die rund zur Hälfte an Frauen gehen. „Das ist unsere übernächste Generation, das wirkt sich mittel- und langfristig aus.“

Männer haben nichts zu befürchten

Anton Zeilinger sieht sich eins mit der Reaktion der US-amerikanischen National Academy of Sciences (NAS). Deren Präsidentin, die Geophysikerin Marcia McNutt, hat sich ebenfalls gegen eine „Women only“-Politik ausgesprochen.

Porträtfoto von Jose van Dijck, Literaturwissenschaftlerin und erste Präsidentin der Niederländischen Akademie

Milette Raats - KNAW

José van Dijck

„Jemand könnte auf die Idee kommen, dass Frauen auf diese Weise nicht den gleichen Standards unterliegen wie ihre männlichen Kollegen oder auch andere Frauen, die über den regulären Wahlprozess aufgenommen wurden“, meinte sie gegenüber der Zeitschrift „Science“.

Das ficht José van Dijck freilich nicht an: Die Literaturwissenschaftlerin und seit Kurzem erste Präsidentin der Niederländischen Akademie bekräftigt, dass die wissenschaftlichen Standards bei den beiden Frauen-Wahlrunden genauso streng sein werden wie üblich. Mit ihrer Hilfe solle eine Entwicklung beschleunigt werden, die überall stattfindet – in den Niederlanden, in Österreich und anderswo.

Die männlichen Wissenschaftler in van Dijcks Heimat müssen sich im Übrigen nicht fürchten: Für sie wird es auch den kommenden beiden Jahren normale, offene Wahlen geben.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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