Was Wahlen entscheidet

Wahlprognosen werden immer schwieriger, die Loyalität zu Parteien geringer. Laut einer neuen Studie werden dafür Themen zunehmend wichtiger: Wer glaubwürdig „soziale Gerechtigkeit“ oder „Zuwanderung“ besetzt und vertritt, hat Erfolg.

Zu diesem Ergebnis kommt die Österreichische Nationale Wahlstudie (AUTNES), eine Wiener Forschergruppe mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF. Sei früher klar entlang ideologischer Muster gewählt worden, lösten sich diese strengen Zugehörigkeiten seit den 70er-Jahren mehr und mehr auf.

Von Stamm- zu Wechselwählern

Zwar seien Themen wie soziale Gerechtigkeit oder Wirtschaft auch schon früher wichtig gewesen, merkt die Politikwissenschaftlerin Sylvia Kritzinger von der Universität Wien in einer Aussendung an - „In den 1970er-Jahren und zuvor. Und doch hat sich grundlegend etwas geändert“.

Wahlausgänge seien früher viel vorhersehbarer gewesen, seit den 70er-Jahren immer weniger. Kritzinger: „Das hat mit dem Entstehen der Mittelklasse zu tun, die sich nicht mehr in erster Linie einer Partei und deren Themen zugehörig fühlt, und die damit von Stamm- zu Wechselwählern werden.“

In gewisser Weise gleichen Wahlen laut der Wissenschaftlerin einer Fieberkurve der politischen Auseinandersetzung: „Hier kommt geballt auf den Tisch, was wichtig ist, was die Menschen bewegt.“ Sie seien zudem eine „hochkomplexe Angelegenheit“, bei der Parteien mitsamt ihren Kandidaten auf der Angebotsseite, Wählerinnen und Wähler auf der Nachfrageseite sowie die Medien als Vermittler in Wechselwirkung zueinander stünden. Aus diesem Grund würden Parteien danach streben, als „Issue Owner“ Themen zu besetzen und neue zu erschließen.

Welche Themen Parteianhängern wichtig sind: Ergebnisse einer Umfrage, die im Vorfeld der Nationalratswahl 2013 gemacht wurde

Grafik: FWF, Quelle: AUTNES

Welche Themen Parteianhängern wichtig sind: Ergebnisse einer Umfrage, die im Vorfeld der Nationalratswahl 2013 gemacht wurde

Themen wie Produkte?

Den politischen Konkurrenten bliebe dann nicht viel mehr, als zu reagieren, laut Kritzinger ein strategischer Nachteil, denn: „Es verhält sich wie bei Unternehmen, wer mit einem Produkt zuerst am Markt ist, der dominiert.“ Und wie bei Unternehmen könnten auch Marktlücken entstehen.

In Österreich sei momentan zu sehen, wie Themen reaktiviert würden, meint die Forscherin: "In diesem Fall durch die SPÖ, die durch die neue Parteispitze offensiv traditionelle Positionen wieder stärker besetzt, um ihre ‚Ownership‘ bestimmter Themen zu betonen. „Es geht in der Politik um die Kunst des Themen-Settings“, fasst Kritzinger zusammen.

Anhand der Daten, die AUTNES seit 2008 zu Nationalrats- und EU-Wahlen erhebt, lassen sich diese Entwicklungen beobachten und in der Tiefe nachvollziehen. „Es ist ein dauerndes Monitoring der Republik und ihrer Gesellschaft, wir können aufzeigen, welche Themen wichtig sind, ob sie von Innen oder von Außen gekommen sind, beispielsweise durch die EU“, so Kritzinger. Es entstehe ein höchst detailliertes Psychogramm Österreichs und seiner Gesellschaft, „ein Profil seiner Entwicklung und Veränderung“.

science.ORF.at/APA

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