Ohne Pharmaindustrie „nicht möglich“

105 Millionen Euro sind 2015 von der Pharmaindustrie in das österreichische Gesundheitssystem geflossen. Fast ein Drittel dieser Summe geht in die Weiterbildung von Ärzten und Ärztinnen. Ist unser Gesundheitssystem zu abhängig von der Industrie?

Ärzte und Ärztinnen müssen sich in Österreich regelmäßig weiterbilden, das ist im Ärztegesetz festgeschrieben. In fünf Jahren müssen 250 Diplomfortbildungspunkte (DFP) erlangt werden, ein Punkt entspricht im Schnitt einer Stunde Weiterbildung. „Ohne Unterstützung der Pharmaindustrie wäre es definitiv nicht möglich, diese Pflicht zu erfüllen“, so Peter Niedermoser, wissenschaftlicher Leiter der Akademie der Ärzte: „Das muss man ganz ehrlich sagen.“

„Für Arbeit auch Geld bezahlen“

Die Akademie der Ärzte gehört zur Österreichischen Ärztekammer und überprüft im Rahmen eines Approbationsverfahrens die Qualität aller Veranstaltungen, mit denen Diplomfortbildungspunkte gesammelt werden können. Rund 25.000 solche Veranstaltungen hat es heuer gegeben, von der Industrie gesponsert wurden vor allem die ein- bis dreitägigen Kongresse. Die am meisten gesponserten Fächer sind die Innere und die Allgemeinmedizin.

„Hier unterstützt die Pharmaindustrie mit Industrieausstellungen und mit Honoraren für Vortragende. Sie arbeiten, und dafür ist auch Geld zu bezahlen“, so Niedermoser. Wichtig sei es, dass diese Interessenkonflikte den anwesenden Ärzten und Ärztinnen bekannt seien. Bekommt ein Vortragender ein Honorar einer Pharmafirma, ist das auf einer der ersten Präsentationsfolien angegeben. Im Programm vermerkt ist es in der Regel nicht.

Kritik des Hauptverbandes

Rund 30 Millionen Euro hat die Pharmaindustrie 2015 in die Weiterbildung von Ärzten und Ärztinnen investiert, indem sie Kosten für Eintritte, Reisen und Unterkünfte übernommen und Kongresse gesponsert hat, das hat eine Analyse von ORF, Standard und gemeinnützigem Recherchezentrum Correctiv ergeben. Der Direktor des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, Josef Probst, sieht das kritisch: „Weil natürlich die Firmen hauptsächlich Vorträge rund um ihre Produkte platzieren, im Regelfall Vorschläge für einzuladende Referenten machen und manche auch Folieninhalte für Präsentationen zur Verfügung stellen.“

Ö1 Sendungshinweis

Über das Thema hat auch das Mittagsjournal berichtet: 22.12.

Die Akademie der Ärzte streitet diese Art der Einflussnahme bei ihren Veranstaltungen ab, ist aber ebenso wie der Hauptverband an einer Diskussion über Alternativen interessiert. „Wenn wir einen Weg finden, dass andere Institutionen das übernehmen, dass die Krankenhausträger das übernehmen, im niedergelassenen Bereich die entsprechenden Sozialversicherungen, bin ich der Letzte, der sich dagegen wehrt. Das wäre die richtige Vorgangsweise, aber das würde wahrscheinlich das Budget vieler öffentlicher Kommunen sprengen“, sagt Peter Niedermoser von der Akademie der Ärzte.

Topf für firmenunabhängiges Sponsoring

Auch ein Topf für firmenunabhängiges Sponsoring wird als Idee immer wieder genannt, scheitert aber laut Hauptverbandsdirektor Josef Probst an der Industrie: „Ich habe vor geraumer Zeit mit einem Chef einer Niederlassung eines großen Konzerns geredet, ob er bereit wäre, in firmenunabhängiges Sponsoring von Kongressen Geld zu investieren, und der hat ganz simpel geantwortet: ‚Wozu sollte ich das tun?‘“

Der Hauptverband setzt deshalb auf eine Doppelstrategie: Zum einen mehr Weiterbildungsförderung durch die Krankenanstalten selbst, zum anderen mehr Transparenz bei Zahlungen der Pharmaindustrie. Vorbild könnte laut Hauptverbandsdirektor Josef Probst der Konzern GlaxoSmithKline sein, der Ärzten nur dann eine Weiterbildung finanziert, wenn sie einer namentlichen Offenlegung der Zahlung zustimmen.

Elke Ziegler, science.ORF.at

Mehr dazu: