Aerosole bremsen Erwärmung

Aerosole sind winzige Teilchen in der Atmosphäre, die vor allem als Schadstoffe gelten. Sie haben aber auch ihr Gutes: Laut einer neuen Studie haben sie in den vergangenen fünfzig Jahren den Klimawandel um ein Drittel abgeschwächt. Paradoxer Nebeneffekt: Sauberere Luft führt zu mehr Erwärmung - besonders in der Arktis.

Wie Treibhausgase entstehen Aerosole durch natürliche Vorgänge wie Vulkanausbrüche, aber auch durch menschliche Aktivitäten wie der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Klimatisch besonders wirksam sind Sulfataerosole, die sich bei der Verbrennung schwefelhaltiger Stoffe bilden.

Diese kleinen Schwebeteilchen haben einen abkühlenden Effekt, denn sie verdunkeln den Himmel und verringern die Sonneneinstrahlung, indem sie einen Teil derselben zurück ins Weltall reflektieren. Zudem sollen sie zu einer vermehrten Wolkenbildung beitragen. Die globale Verdunklung, insbesondere die Zunahme von Sulfataerosolen in der Stratosphäre, soll ein Grund dafür sein, warum die globale Erwärmung in der Vergangenheit weniger rasch vorangeschritten ist als erwartet.

Gegenspieler der Treibhausgase

Wie stark sich die Gegenspieler der Treibhausgase bisher tatsächlich ausgewirkt haben, wurde von Forschern nun im Detail nachgezeichnet. Trude Storelvmo von der Yale University und ihre Kollegen haben dafür Messdaten von 1964 bis 2010 von 1.300 Messstationen weltweit ausgewertet. Darin erfasst waren Temperatur, Strahlungsintensität und Treibhausgase.

Die Berechnungen des Teams ergaben, dass sich die verringerte Strahlungsintensität der Sonne deutlich auf die Temperaturentwicklung ausgewirkt hat: Im vergangenen halben Jahrhundert hat die abkühlende Wirkung der Aerosole ein ganzes Drittel der kontinentalen Erwärmung „maskiert“, so die Forscher. Das heißt, die Erde hat sich um ein Drittel weniger erwärmt, als sie es angesichts der steigenden Treibhausgase hätte sollen.

Zu reine Luft?

Welche wesentliche Rolle die Sulfataerosole beim Klimawandel spielen, unterstreicht eine andere zeitgleich erschienene Studie. Dafür haben die Forscher ein weiteres unvorhersehbares Phänomen untersucht, die polare Verstärkung: Die Klimaerwärmung ist nämlich in den polaren Regionen besonders ausgeprägt.

Auch hierfür sind laut den Forschern um C. J. Acosta Navarro von der Universität Stockholm die Sulfataerosole beziehungsweise deren Rückgang verantwortlich. Seit den 1980er Jahren wurden die Luftschadstoffe in Europa und Nordamerika nämlich durch eine Reihe von Maßnahmen deutlich reduziert. Laut den Simulationen des Teams sind etwa 0,5 Grad Celsius der Erwärmung in der Arktis auf die geringeren Aerosole über Europa zurückzuführen.

Treibhausgase langfristig entscheidend

Die Luft über Europa sei besonders entscheidend, da der Kontinent gewissermaßen auf dem Weg der Luft- und Meeresströmungen liegt, die aus südlicheren Regionen in die Arktis gelangen. Im Sommer erwärmen sich Wasser- und Landoberflächen in Europa durch die geringeren Aerosole deutlich stärker als vor 20 Jahren, das verstärke den Hitzetransport in den Norden.

In einem parallel erschienenen Kommentar schriebt Thorsten Mauritsen vom Max Planck Institut für Meteorologie, dass man den Effekt aber nicht überbewerten sollte. Denn die Schwefeldioxidemissionen in Europa seien schon sehr stark reduziert, zusätzliche Reduktionen würden höchstens ein paar Zehntelgrade ausmachen. Langfristig spielen die langlebigen Treibhausgase wie CO2 für die Erwärmung eine weitaus gewichtigere Rolle, schreibt Mauritsen.

Umstrittene Geoengineering-Idee

Kühlende Aerosole gezielt gegen den Klimawandel einzusetzen, klingt nach einer naheliegenden Idee, die Geoengineering-Experten tatsächlich schon angedacht haben. Kritiker sehen das allerdings skeptisch. Mit den Partikeln ließe sich allenfalls die Temperatur drosseln, an den Treibhausgasen selbst würde das nichts ändern.

Zudem ist das Klima ein komplexes System. Wenn man an einem Schräubchen dreht, sind die daraus folgenden Effekte nur teilweise vorhersehbar. Auf einen haben deutsche Forscher vor zwei Jahren aufmerksam gemacht: Eine künstliche Kühlung würde laut ihnen den globalen Wasserhaushalt beeinträchtigen und zu Dürren in manchen Weltgegenden führen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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