Urmenschen-Gene schützen vor Kälte
Recht viel sichtbare Spuren hat er nicht hinterlassen, der Denisova-Mensch: ein Fingerknochen und zwei Backenzähne. Dank moderner Analysemethoden gelang es Forschern um Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig vor einigen Jahren dennoch, ihn als eigene Art der Gattung Homo einzustufen, die nur entfernt mit Neandertalern und modernen Menschen verwandt war. Gelebt hat der Frühmensch vor etwa 40.000 Jahren, im südlichen Sibirien.
Spuren der Vermischung
Belegt ist mittlerweile auch, dass er mit Neandertalern und modernen Menschen sexuellen Kontakt gehabt haben muss, genauso wie Mensch und Neandertaler untereinander. Die Spuren der Vermischungen finden sich noch heute in unserem Erbgut.
Studie
„Archaic adaptive introgression in TBX15/WARS2“, biorXiv, 20.12.2016
Bereits vor zwei Jahren ergab eine Studie, dass manche heute lebende Menschen von diesem Erbe profitieren. Das „Athleten-Gen“ der heutigen Tibeter soll demnach vom Denisova-Menschen stammen. Dank dieser Genvariante können die Bewohner des tibetischen Hochlands trotz Höhenlage und Sauerstoffmangels gut leben.
An Kälte und Fisch gewöhnt
Extrem sind die Lebensbedingungen auch in einer ganz anderen Weltgegend: der Arktis. Den dort lebenden Inuit scheint das nichts auszumachen: Offenbar haben sie sich erfolgreich an den strengen Frost und die fischlastige Ernährung angepasst.
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Erst im vergangenen Jahr haben Forscher um Matteo Fumagalli vom University College London eine umfassende Analyse des Genoms der Inuit in Grönland erstellt. Dabei sind sie auf Mutationen gestoßen, die bei Vergleichsgruppen aus Europa und China fehlten.
Sie sollen für die enorme Kältetoleranz verantwortlich sein, indem sie den Fettstoffwechsel verändern. Dank ihnen können die Inuit unter anderem Körperfett in Wärme umwandeln und die fettreiche Fischkost gut verwerten.
Nützliches Erbe
In ihrer soeben in „Molecular Biology and Evolution“ erschienenen Studie haben sich die Forscher um Fernando Racimo vom New York Genom Center nun auf die Suche nach den Wurzeln dieser Anpassung gemacht. Sie verglichen das Erbgut von 200 Inuit mit dem Genom-Katalog aus dem 1.000-Genome-Projekt und dem Erbgut von Neandertalern und Denisova-Menschen.
Das Ergebnis: Die entsprechenden Regionen im Inuit- und im Denisova-Genom ähneln sich stark. Laut den Forschern findet sich die Variante - wenn auch selten - in eurasischen Genomen, aber nie in afrikanischen. Am häufigsten sei sie bei den Inuit und den amerikanischen Ureinwohnern vorhanden. Bei der Ausbreitung des modernen Menschen über die Beringstraße in Richtung Amerika war das Denisova-Erbe vermutlich sehr nützlich.
Eva Obermüller, science.ORF.at