Die Sensationen des Jahres

Ein Jahr mit erstaunlichen Entdeckungen geht zu Ende. Einige davon kamen überraschend, wie die Beobachtung eines Planeten um den sonnennächsten Stern. Andere waren erwartet worden, sind aber nicht minder bedeutsam – vielleicht sogar nobelpreiswürdig. Eine Auswahl in Text und Bild.

Ein neunter Planet in unserem Sonnensystem?

Anfang des Jahres ließen amerikanische Forscher mit Hinweisen auf einen weiteren Planeten in unserem Sonnensystem aufhorchen. Der Planet Neun mit etwa zehnfacher Erdmasse soll 20-mal weiter von der Sonne als Neptun seine Bahn ziehen und zwischen 10.000 und 20.000 Jahre für einen Umlauf brauchen. Die Hinweise ergaben sich indirekt aus der Vermessung der Bahnen von kleinen Himmelskörpern im Kuiper-Gürtel. Diese Zone außerhalb der Neptunbahn beherbergt eine Vielzahl kleiner, eisiger Objekte.

Künstlerische Darstellung: "Planet Neun"

Caltech/R. Hurt (IPAC)

So könnte Planet Neun aussehen

Sechs davon zeigen seltsam geordnete Umlaufbahnen, die am besten durch den Einfluss eines – noch unentdeckten – Objekts zu erklären sind. Die Hinweise basieren derzeit ausschließlich auf theoretischen Berechnungen.

Da weder die genaue Umlaufbahn noch der Ort von Planet Neun bekannt sind, wird sich die Suche mit Teleskopen schwierig gestalten. Vergleiche mit Planetensystemen um andere Sterne zeigen jedoch, dass Planeten dieser Größe durchaus häufig sind. Nur in unserem Sonnensystem fehlen sie – bis jetzt.

Erstmaliger Nachweis von Gravitationswellen

Die Sensationsmeldung des Jahres betraf die ersten beiden Fälle des Nachweises von Gravitationswellen – Wellen, die durch geringfügige Verzerrungen der Raum-Zeit-Struktur entstehen. Hundert Jahre nach ihrer theoretischen Vorhersage im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wurden an den beiden LIGO-Observatorien in den USA diese Schwingungen tatsächlich gemessen.

Anneliese Haika und Thomas Posch

privat

Die Autoren

Anneliese Haika ist AHS-Lehrerin und Mitglied der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA). Thomas Posch ist Astronom an der Universität Wien.

Die von LIGO aufgezeichneten Ereignisse vom 15. September und vom 26. Dezember 2015 wurden beide von verschmelzenden Schwarzen Löchern mit Massen zwischen acht und 36 Sonnenmassen verursacht.

Die detektierten Signale stammten beide aus mehr als einer Milliarde Lichtjahre Entfernung und entsprachen minimalen Längenänderungen in der Messanordnung. So erfolgte die Bekanntgabe der Entdeckungen erst nach deren gründlicher Überprüfung im heurigen Jahr. Wird auch das Nobelpreiskomitee diesen Durchbruch würdigen? Wir werden sehen.

Ende November konnte LIGO jedenfalls nach einer Reihe von Upgrades das zweite Beobachtungsprogramm beginnen. Man rechnet mit weiteren Detektionen im Jahre 2017. Möglich ist nach einigen neueren Arbeiten auch, dass eine genaue Analyse der LIGO-Daten zu einer Revision der Struktur des Randbereichs Schwarzer Löcher, wie sie von der ART vorhergesagt wird, führt. Somit steht sogar der Umfang der Gültigkeit von Einsteins Theorie neuerlich auf dem Prüfstand.

Ein Planet um Proxima Centauri

Von den zahlreichen Entdeckungen im Bereich der Exoplaneten stellte eine alle anderen in den Schatten: der Nachweis eines Planeten um den der Erde nächstgelegenen Stern, Proxima Centauri. Dieser rote Zwergstern, der nur etwas mehr als vier Lichtjahre von der Erde entfernt ist, wurde vier Monate lang mit dem HARPS-Spektrografen am 3,6-Meter-Teleskop der ESO auf La Silla beobachtet.

Es fanden sich klare Hinweise auf einen Planeten mit mindestens 1,3 Erdmassen in einer Entfernung von nur sieben Millionen Kilometern von Proxima Centauri. Proxima b, wie der Planet bisher genannt wird, umkreist seinen Stern mit einer Periode von 11,2 Tagen.

Künstlerische Illustration von Proxima b

ESO/M. Kornmesser

Gibt es Leben auf Proxima b?

Da dieser Stern etwa 7.000-mal leuchtschwächer als die Sonne ist, liegt Proxima b trotz des geringen Abstands zum Stern in der „habitablen Zone“, wo das Vorhandensein von flüssigem Wasser möglich wäre. Ob der Planet wirklich lebensfreundlich ist, bleibt derzeit reine Spekulation. Viele Fakten sprechen eher dagegen, zum Beispiel starke UV- und Röntgenstrahlung vom Mutterstern oder die Annahme, dass der Planet seinem Stern wahrscheinlich immer die gleiche Seite zuwendet. In Zukunft könnte Proxima b dennoch zu einem der Ziele für die Suche nach Leben im Universum werden.

Wie ebenfalls erst 2016 definitiv gezeigt werden konnte, läuft übrigens die rote Zwergsonne Proxima Centauri, also der Mutterstern des neu entdeckten Planeten, einmal in 591.000 Jahren um den viel helleren – mit freiem Auge sichtbaren – Alpha Centauri.

Keine echten Begleiter der Milchstraße?

Während für den uns nächstgelegenen Stern also die gravitativen Bindungsverhältnisse geklärt sind, gab es eine umgekehrte Entwicklung im Falle der beiden uns nächstgelegenen kleinen Galaxien, der Magellanschen Wolken. Es bestätigte sich nämlich der Verdacht, dass diese beiden sehr schönen, hellen Objekte des Südsternhimmels wohl nur in einer Begegnungsphase mit unserer Milchstraße sind, nicht aber um sie kreisen.

Magellanschen Wolken am Nachthimmel

ESO/J. Colosimo

Nachthimmel in der Atacamawüste: die Magellanschen Wolken und das Paranal-Observatorium

Die Erhärtung dieser Erkenntnis verdanken wir dem europäischen Satelliten „Gaia“. Er ist dabei, mit ungekannter Genauigkeit die Positionen, Bewegungen und Entfernungen von Sternen zu vermessen. Im September wurde der erste Katalog mit „Gaia“-Messergebnissen veröffentlicht. Er enthält Daten zu mehr als einer Milliarde Sternen.

Abschluss der Kometenmission „Rosetta“

Mehr als zwei Jahre lang begleitete die europäische Raumsonde „Rosetta“ den Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko auf seinem Weg zum sonnennächsten Punkt seiner Bahn und darüber hinaus. Am 30. September wurde diese höchst erfolgreiche Mission durch einen geplanten Absturz der Sonde auf dem Kometen beendet.

Eines der wichtigsten bisher gewonnenen Forschungsergebnisse ist die Erkenntnis, dass Wasser auf „Rosettas“ Komet eine andere Isotopen-Zusammensetzung als irdisches Wasser hat. Damit wurde eine gängige Hypothese über die frühe Erdgeschichte widerlegt: Das Wasser auf unserem Planeten stammt offensichtlich nicht von Einschlägen durch Kometen wie 67P.

Rosetta und Tschuri

ESA/ATG medialab; Comet image: ESA/Rosetta/Navcam

„Rosetta“, die Landeeinheit „Philae“ und der Komet „Tschuri“

Der Komet selbst stammt neuesten theoretischen Berechnungen zufolge vermutlich aus den äußersten Bereichen des Sonnensystems, aus einer Zone etwa zweimal so weit von der Sonne entfernt wie Neptun. Dort könnte er Millionen Jahre verbracht haben, bevor er durch nahe Begegnungen mit Jupiter in das innere Sonnensystem gelenkt wurde. Die Fülle an Daten, die von „Rosetta“ gesammelt wurde, wird noch jahrelang für Schlagzeilen in der Forschung sorgen.

Neuer Atlas der Lichtverschmutzung

Für Aufsehen sorgte die Publikation des neuen Weltatlas der Lichtverschmutzung in der Zeitschrift „Science Advances“. Die Datengrundlage bildeten unter anderem Aufnahmen der Erde bei Nacht, die mit dem US-Wettersatelliten „Suomi NPP“ gewonnen wurden.

Aber auch von der Erde aus wurde die Aufhellung des Nachthimmels gemessen – nicht zuletzt im Rahmen von Citizen-Science-Projekten. So fand das Autorenteam unter Leitung des Italieners Fabio Falchi, dass für 60 Prozent der Europäer und für fast 80 Prozent der US-Amerikaner von zu Hause aus auch in klaren Nächten die Milchstraße nicht mehr zu sehen ist.

Globus mit Lichtverschmutzung

The authors of the manuscript. Prepared by Fabio Falchi

Die Nachtseite der Erde wird immer heller

Besonders dramatische Ausmaße hat die Lichtverschmutzung auf unserem Kontinent in Griechenland und Spanien erreicht, während man selbst in ökonomisch besser gestellten Ländern wie der Schweiz und Deutschland etwas sorgsamer mit künstlichem Licht im Außenraum umgeht. Das hilft auch, Erkrankungen des Immun- und Stoffwechselsystems, die durch zu viel Kunstlicht gefördert werden, hintanzuhalten.

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