Qualität im Wissenschaftsjournalismus fördern

Klimakrise, populistische Parteien, Grundlagenforschung: Wissenschaftsjournalismus ist in vielen Ressorts zu Hause, wird aber bei der finanziellen Ausstattung oft nachlässig behandelt. Ein Fall für die Medienförderung Neu, findet der Medienökonom Matthias Karmasin.

Für das Frühjahr hat die Regierung eine Reform der Presseförderung angekündigt. Wie diese aussehen soll, darüber wird noch debattiert. Diskutiert wird unter anderem eine Absage an das Gießkannenprinzip und eine qualitätsorientierte Medienförderung nach schwedischem Vorbild.

Eines der Vergabekriterien für die Medienförderung Neu könnte eine qualitätsvolle Berichterstattung zu Wissenschaft und Forschung sein, fordert der Klub der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen. science.orf.at hat bei dem Medienökonomen Matthias Karmasin vom Institut für vergleichende Medienforschung der ÖAW nachfragt, wie er diese Forderung bewertet.

Ein Vorschlag für die Medienförderung Neu ist eine Pro Kopf-Förderung von in Medienhäusern beschäftigten Journalistinnen und Journalisten. Ist das sinnvoll? Manche meinen, eine solche Förderung würde große Medien bevorzugen.

Matthias Karmasin: Pauschal gesehen, halte ich wenig davon. Aber eine qualitätsorientierte, an Kriterien orientierte Medienförderung in einzelnen Bereichen, zum Beispiel im Bereich des Wissenschaftsjournalismus, hielte ich für sehr sinnvoll, z.B. eine Förderung von journalistischen Arbeitsplätzen, die sich mit diesen Themenstellungen auseinandersetzen.

Der österreichische Wissenschaftsjournalismus gilt als unterbesetzt und von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt. Eine Pro Kopf-Förderung gibt es derzeit für Auslandskorrespondentinnen und Auslandskorrespondenten, sie ist aber mit rund 10.000 Euro eher gering dotiert.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 19.1. um 13:55

Prekariatsverhältnisse sind im Wissenschaftsjournalismus tatsächlich üblich. Viele Leute betreiben ja Wissenschafts-PR, um sich Wissenschaftsjournalismus leisten zu können. Da könnte man über die Höhe der Förderung schon nachdenken. Ich finde ein Ansatzpunkt - abseits der Medienförderung - wäre, das Ganze als forschungs- und wissenschaftspolitische Maßnahme zu sehen. Da kann man durchaus auch darüber nachdenken, Budgets aus dem Wissenschafts-, Wirtschafts- oder Infrastrukturministerium anzusprechen.“

Die Klimakrise, der Aufstieg von populistischen Parteien, Grundlagenforschung an den Universitäten: Wissenschaftsjournalismus ist eine thematische Querschnittsmaterie. Das heißt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ressortüberreifend in den Medien vertreten sind und sich mitunter auch Innenpolitik- oder Wirtschaftsjournalisten wissenschaftlichen Themen widmen. Diese würden über die Pro Kopf-Förderung nicht erreicht werden. Wo sehen Sie andere mögliche Ansätze?

Ein weiterer Ansatz wäre ex Post - also im Nachhinein - besonders herausragende Projekte, wie z.B. besondere Rechercheplattformen, mit Geld zu prämieren – im Sinne eines kompetitiven Ansatzes. So wie es in anderen Bereichen der Wissenschaft auch passiert, dass Preise vergeben werden und man sich damit einen Wettbewerb um Qualität erhofft.

Nach welchen Kriterien bemessen Sie, ob Wissenschaftsjournalismus Qualität hat?

Die Kriterien, die ich an den Wissenschaftsjournalismus anlege, unterscheiden sich nicht von Qualitätskriterien in anderen Bereichen des Journalismus, beispielsweise dem Wirtschaftsjournalismus oder dem Medizinjournalismus. Diese allgemein gültigen Kriterien sind in der Kommunikationswissenschaft hinreichend beschrieben.

Hintergrund

Die Medienförderung Neu betrifft derzeit Printmedien und künftig möglicherweise auch reine Online-Angebote, soll also plattformneutral sein. Sie soll laut Ministerium insgesamt bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr umfassen. Ein geringer Betrag – vergleicht man ihn mit der Summe, die von der Öffentlichen Hand für Inserate in den auflagenstarken Tageszeitungen ausgegeben wird. 2015 waren das 188 Millionen Euro.

Dazu zählen: Unabhängigkeit, Trennung von Nachricht und Meinung, Trennung von Werbung und Redaktion, eine hinreichend aufklärende Funktion, komplexe Sachverhalte möglichst tatsachennah auch einem breiteren Publikum verständlich zu machen. Diese Kriterien könnten auch die Grundlage für die genannte Ex Post–Entscheidung und Förderung sein.

Laut einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2014 ist das Vertrauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation in keinem EU-Mitgliedsland so gering, wie in Österreich. Was kann Wissenschaftsjournalismus in dieser Hinsicht leisten?

Wissenschaft hat in Österreich einen relativ geringen Stellenwert – leider. Natürlich kann Wissenschaftsjournalismus nicht alleine dafür sorgen, dass das Verständnis einer Gesellschaft für Wissenschaft und Forschung steigt. Er wird sich auch dem postfaktischen Zeitalter nicht alleine entgegenstemmen können. Eine hinreichende finanzielle, personelle und kompetenzmäßige Ausstattung des Wissenschaftsjournalismus ist wichtig, aber sicher nicht das Einzige.“

Sondern?

Es geht auch um Social Media, es geht auch um Formen der direkten Kommunikation mit Wissenschaft und Forschung, es geht auch um (vor)schulische Ausbildung, dass Kinder und Jugendliche schon dort in Kontakt mit Forschung kommen - insbesondere auch im Bereich der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Selbstverständlich darf man den Wissenschaftsjournalismus auch nicht mit Erwartungen überfrachten, indem wir sagen, wenn wir jetzt die Medienförderung ändern, dann ist sozusagen die forschungspolitische Komponente schon saniert.“

Tanja Malle, Ö1 Wissenschaft

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