Quantenspuk mit altem Sternenlicht

Wiener Quantenphysiker haben mit 600 Jahre altem Sternenlicht Experimente über den Dächern Wiens durchgeführt. Sinn der Übung: der Beweis, dass die Quantenwelt tatsächlich seltsam ist.

Quanten verhalten sich den Experimentatoren gegenüber recht fies: Wenn diese hinsehen, nehmen sie oft Eigenschaften an, die sie unbeobachtet nicht unbedingt gezeigt hätten. Deshalb ist es auch trickreich, die von Albert Einstein als „spukhaftes Phänomen“ verunglimpfte Quantenverschränkung nachzuweisen: Sie besagt, dass die Messung an einem von zwei Teilchen augenblicklich den bis dahin undefinierten Zustand eines anderen Teilchens festlegt, selbst wenn die beiden weit voneinander entfernt sind und keine Informationen austauschen.

Der Spuk lässt sich testen

Dem ließe sich physikalisch spitzfindig entgegnen: Es wäre auch möglich, dass die Messgeräte und deren Einstellungen die Teilchen beeinflussen und damit eine Verknüpfung der beiden nur vortäuschen. Um das auszuschließen, führen Physiker Experimente durch, die der nordirische Physiker John Bell in den 1960er Jahren ersonnen hat.

Bisher haben Forscher die Messeinstellungen dieser Bell-Tests durch Zufallsgeneratoren erzeugt, um eine vorgetäuschte Verknüpfung zwischen den Teilchen auszuschließen. Letzten November wählten Physiker in einem weltweiten Großexperiment einen neuen Weg: Sie bezogen die Zufallsreihen für die Messeinstellungen von tausenden Laienforschern, die sich zuvor auf der Projektwebsite eingeloggt hatten.

Kosmischer Bell-Test

Die Studie

„Cosmic Bell Test: Measurement Settings from Milky Way Stars“, Physical Review Letters (7.2.2017).

Forscher um Anton Zeilinger vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben nun eine dritte Möglichkeit gefunden, etwaige Schlupflöcher in Bell-Tests zu stopfen: Sie überließen stellaren Lichtteilchen die Wahl der Einstellungen. „Da diese Photonen von Sternen stammen, die Lichtjahre voneinander als auch von der Erde entfernt sind, hätte die Wahl der Messeinstellung bereits vor 600 Jahren erfolgen müssen, also lange bevor das Experiment in Wien durchgeführt wurde“, erklären sie in einer Aussendung.

Die Wiener Wissenschaftler erzeugten zunächst verschränkte Photonenpaare im Labor und schickten diese dann vom Hedy-Lamarr-Teleskop auf dem Dach ihres Instituts im neunten Wiener Gemeindebezirk zu getrennten Messstationen bei der Österreichischen Nationalbank und der Universität für Bodenkultur Wien. Dort befanden sich astronomische Teleskope, um Sternenlicht einzufangen. Damit wurden die Einstellungen für die Messung der verschränkten Teilchen gesteuert.

Durch diesen Test konnten sie nun ein bisheriges „Schlupfloch“ beim Beweis der Quantenverschränkung schließen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es verborgene Variablen gibt, die alternativ zur Verschränkung geführt haben, ist somit noch geringer als bisher“, sagt Zeilinger. „Denn ein Einfluss auf das Messergebnis hätte weit vor Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks stattfinden müssen.“

science.ORF.at/APA

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