Gleichstellung: Eine Frage der Sensibilität

In den Toppositionen an Österreichs Universitäten sind Frauen stark unterrepräsentiert. Um Frauen und Männer an der Uni gleichzustellen, müsse der Unterricht gendersensibler werden, raten Fachleute.

52,6 Prozent der Studierenden sind Frauen. 55,6 Prozent aller Studienabschlüsse im vergangenen Studienjahr wurden von Frauen erreicht. Je höher man aber in der Hierarchie des österreichischen Wissenschaftsbetriebs blickt, desto weniger Frauen gibt es.

Sendungshinweis

Anlässlsich des heutigen Weltfrauentags gibt es heute in „Wissen aktuell“ einen Themenschwerpunkt zu Frauen in der Wissenschaft - zu hören ab 13.55 Uhr auf Ö1.

Der Frauenanteil in besser bezahlten Positionen mit mehr Verantwortung ist weiterhin gering. Bei den Professuren beträgt er im Durschnitt nur knapp 24 Prozent. Um das zu ändern, müsse auch bei der universitären Lehre angesetzt werden, sagt Lisa Mittischek von der GenderWerkstätte Graz. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael Kurzmann zeigen sie Lehrenden unterschiedlichster Fachbereiche in Workshops, wie sie ihren Unterricht gendersensibler gestalten können.

Im Unterricht gebe es dabei ein paar Fallen zu beachten. Sind Studentinnen in der Minderheit, würden Lehrende sie häufig besonders hervorgeheben, oft mit dem Gefühl, ihnen dabei einen Gefallen zu tun. Die Lehrenden betonen damit das Geschlecht vor allen anderen Merkmalen dieser Personen, sagt Mittischek. Dadurch könne stereotypes Verhalten auch erst hervorgerufen werden.

Eine Studie mit Schülerinnen und Schülern habe das eindrücklich gezeigt: Bei einem Mathematiktest habe man Buben und Mädchen ihr Geschlecht ankreuzen lassen bevor sie den Test ausfüllten. Eine zweite Gruppe füllte den Test aus ohne ihr Geschlecht anzugeben. „Dabei hat sich herausgestellt, dass die Mädchen aus der ersten Gruppe signifikant schlechter abgeschnitten haben“, schildert die Soziologin und Geschlechterforscherin.

Stereotype aufbrechen

Für Lehrende sei es zunächst wichtig, sich mit den eigenen Vorannahmen zum Thema Geschlecht auseinanderzusetzen. Viele Männer seien gewissermaßen geschlechterblind. Als Mann an der Uni tätig zu sein, sei so normal, dass sie nicht darüber nachzudenken bräuchten, schildert Kurzmann. Sie seien blind für die eigenen Privilegien. „Frauen hingegen berichten, dass ihnen sehr wohl bewusst ist, dass sie sich an der Uni als Frauen bewegen. Sie denken weit mehr über ihr Geschlecht nach.“

Um alle Studierenden mit dem eigenen Unterricht anzusprechen, sei es wichtig eine Sprache zu wählen, in der Männer und Frauen gleichermaßen vorkommen. Das helfe dabei, sich mit den Lehrinhalten zu identifizieren. Das gelte auch für im Unterricht verwendet Beispiele und Bilder.

„Lehrende können sich fragen, ob die von ihnen verwendeten Bilder dazu geeignet sind Stereotype aufzubrechen oder ob es eher Bilder sind, die traditionelle Vorstellungen stärken“, sagt der Sozialarbeiter und Psychotherapeut.

Weibliche Vorbilder

Besonders in technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen sei es wichtig, Lehrinhalte in einen größeren gesellschaftlichen Kontext zu stellen: Welches konkrete technische Problem kann mit diesem Grundlagenwissen gelöst werden? Welches Produkt kann damit entwickelt werden? Wer kauft dieses Produkt und welche gesellschaftlichen Auswirkungen könnte es haben?

Durch solche Fragen ließe sich ein Thema ganzheitlicher betrachten – ein Zugang der vor allem Frauen, aber auch viele Männer anspreche, so Kurzmann. Ebenfalls wichtig sei es, Frauen in der Forschung sichtbar zu machen, zum Beispiel indem Literaturlisten verwendet werden, in denen die Vornamen ausgeschrieben sind. So könnten Studentinnen weibliche Vorbilder aufgezeigt werden, sagt Kurzmann.

Lena Hallwirth, Ö1-Wissenschaft

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