Mit Pollen auf Verbrecherjagd
Allergikern macht er zu schaffen, der Polizei hilft er, Verbrechern auf die Schliche zu kommen: Pollen bzw. Blütenstaub. Auf der Kleidung, auf Schuhen, auf Haaren und sogar in Büros und Räumen ohne Fenster könne er gefunden werden, so die Pollenforscherin Martina Weber, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Silvia Ulrich im Gebiet der forensischen Palynologie forscht.
Martina Weber
Zwei bis drei Mal pro Jahr kommen Anfragen der Polizei. Bei manchen Fällen nehmen die Ermittler selbst direkt am Tatort Pollenproben und schicken sie dann an die Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik der Universität Wien. Immer wieder komme es vor, dass Weber auch direkt zum Tatort gerufen wird: „Wir Botaniker oder Palynologen kommen einfach ganz anders zu einem Mordfall als polizeiliche Ermittler. Wir sehen ein Maisfeld oder einen Wald – da beginnt das Ganze dann schon in unserem Kopf zu leben.“
Langlebiger Pollen
An jedem Ort sind verschiedene Pollenkörner zu finden. Sie ergeben ein sogenanntes Pollenspektrum. Gibt es bereits verdächtige Personen, werden Pollenproben vom Tatort mit dem Pollenspektrum auf der Kleidung oder auf den Haaren der Verdächtigen verglichen, um so sicherzustellen, ob die Person am Tatort gewesen ist oder nicht.
„Im Labor isolieren wir den Pollen und untersuchen ihn unter dem Lichtmikroskop“, sagt Weber. Das sei eine „mühsame Arbeit“, aber gleichzeitig „wahnsinnig spannend“. Bei der Untersuchung werden sämtliche Pollenkörner, die in der Probe vorkommen, bestimmt und gezählt.
Martina Weber
Weber bezeichnet den Pollen als „extrem widerstandsfähig“. Pollenkörner können mehrere Millionen Jahre überleben, was sich in fossilen Pollenkörnern oder im Gletschereis zeige. Für Verwunderung sorge bei vielen Menschen die Tatsache, dass gerade Innenräume ein idealer Ort für den Pollen sind, so Weber: „Da ist es trocken und staubig, perfekt also für den Pollen.“
Ö1 Sendungshinweise
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 15.3. sowie Von Tag zu Tag.
Um genaue Informationen zu verschiedenen Pollenkörnern bereitzustellen, hat die Palynologin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen 1998 begonnen, eine Datenbank mit Informationen zu verschiedenen Pollenkörnern zu erstellen. Entstanden sei daraus die „weltgrößte“ Pollendatenbank PalDat, die seit dem Jahr 2000 online ist und ständig erweitert werde.
Pollen als Puzzleteil
Forensische Palynologie ist für Weber eine „praktische Anwendung der Grundlagenforschung“ im Bereich der Pollenforschung. Forensische Arbeit gleiche einem Puzzle und die Palynologinnen liefern dazu einen Beitrag: „Der Pollen passt dann dazu oder eben nicht.“ Welches „Potenzial“ der Pollen habe, darüber wisse die Polizei in Österreich mittlerweile Bescheid, erklärte Weber. Sie wird deshalb in regelmäßigen Abständen eingeladen, Schulungen für Ermittler abzuhalten, wie konkret beim Sichern von Pollenproben vorzugehen ist.
Martina Weber
Erstmals zur Anwendung kam die forensische Palynologie in Österreich. Vor 50 Jahren wurde mithilfe einer Pollenuntersuchung ein Mordfall gelöst. Bis 2007 waren dann in Österreich keine forensischen Palynologinnen und Palynologen im Einsatz. Webers erster Fall war vor zehn Jahren eine Babyleiche, die in Heu eingebettet war. Die Palynologin konnte durch die Analyse verschiedener Pollenzusammensetzungen den Ort herausfinden, woher das Heu stammte.
Markus Andorf, Ö1 Wissenschaft