Warum Sex glücklich macht

Paare, die mindestens einmal pro Woche Sex haben, sind glücklicher. Laut einer neuen Studie liegt das aber nicht nur am Sex an sich, sondern auch an seinen „Begleiterscheinungen“: dem Kuscheln und den Gesprächen rundherum, die die Zuneigung verstärken.

„Es geht nicht nur um die sexuelle Leistung oder um eine bestimmte Position. Um sich wohlzufühlen ist der Austausch mit dem Partner zentral“, sagt Anik Debrot, Studienleiterin und klinische Psychologin an der Universität Lausanne, gegenüber science.ORF.at.

„Hatten Sie seit gestern Sex?“

„Nur die Vereinigung von Herz und Sexualität kann zu Ekstase führen“, hat einmal Anais Nin notiert. Die moderne Sexualwissenschaft gibt der für ihre erotische Literatur bekannten Schriftstellerin Recht. Sie ist aber naturgemäß deutlich prosaischer. Eine Studie kanadischer Forscherinnen etwa hat den Wert von Sex in Geld ausgedrückt: 50.000 Dollar mehr oder weniger pro Jahr verdienen macht demnach den gleichen Unterschied für das eigene Glück wie der Unterschied zwischen einmal pro Woche Sex haben und weniger als einmal pro Monat.

Gleichgültig wie sinnvoll so eine monetäre Gleichsetzung ist: Sex und Glück hängen zusammen. Dafür spricht nicht nur die eigene Lebenserfahrung der Meisten, sondern auch die wissenschaftliche Literatur. Wie der Zusammenhang genau besteht, hat nun ein Team um Anik Debrot untersucht. Und zwar u. a. in deutschsprachigen Orten rund um Frijbourg im Schweizer Mittelland: Bereits zwischen April 2009 und März 2011 dienten dort in über 100 Haushalten Smartphones zehn Tage lang nicht nur zum Telefonieren und Surfen. Die Geräte fragten vier Mal am Tag: „Wie fühlen Sie sich in diesem Moment?“ Und einmal pro Tag: „Hatten Sie seit gestern Sex? Oder erotische Momente mit ihrem Partner?“

Die Adressaten dieser intimen Fragen waren 106 Paare, die meisten von ihnen schon länger verheiratet, sie hatten mindestens ein Kind. Für das Forschungsprojekt führten die Paare ein „erotisches Tagebuch“ – Frau und Mann strikt getrennt, Absprachen waren verboten.

Henne-oder-Ei-Frage beantwortet

Ergebnis: „Menschen fühlen sich in den Stunden, nach denen sie Sex gehabt haben, besonders wohl. Wenn sie innerhalb der letzten 24 Stunden mit ihrem Partner geschlafen haben, sind sie zufriedener und ausgeglichener“, erzählt Debrot. „Wenn sie sich hingegen bereits glücklich und optimistisch fühlen, erhöht das nicht die Wahrscheinlichkeit von Sex mit ihrem Partner.“

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Dimensionen Magazin, 31.3., 19:05 Uhr.

Damit beantwortet die Psychologin auch die alte „Henne-oder-Ei-Frage“: Haben glückliche Menschen mehr Sex oder macht Sex glücklich? „ Nach unseren Ergebnissen scheint es so zu sein, dass es der Sex ist, der positive Gefühle fördert, und nicht umgekehrt“, so Debrot.

Der Zusammenhang gilt für frisch verliebte Paare ebenso wie für Partner, die sich schon lange kennen und Kinder haben. Unterschiede zwischen Männern und Frauen haben die Psychologinnen kaum gefunden, ebenso keine zwischen hetero- und homosexuellen Paaren – von letzteren gab es in den Stichproben allerdings nur wenige Vertreter. Und auch das Alter und die wirtschaftliche und berufliche Lage ändern nichts an dem Zusammenhang von Sex und Glück.

Sex verstärkt emotionale Bindung

Es ist allerdings nicht nur der Sex an sich, der glücklich macht. „Unsere insgesamt vier Studien zeigen, dass Sex den Kontakt zum Partner verstärkt. Die Paare verspüren nach dem Geschlechtsverkehr mehr Zuneigung füreinander. Sie tauschen mehr Zärtlichkeiten aus, sie umarmen einander mehr, sie kuscheln und küssen mehr“, sagt die Psychologin.

Es kommt während und nach dem Sex aber nicht nur zu mehr körperlichen Berührungen. Viele Paare führen danach auch gute Gespräche. D. h. sie fühlen sich dem Partner körperlich und seelisch mehr verbunden und teilen diese beglückende Erfahrung. „Es sind diese Beziehungsaspekte von Sexualität, die erklären, warum Sex glücklich macht“, so Debrot.

Singles haben es schwerer

Das kann also erklären, warum Sex ohne fixen Partner oder ohne fixe Partnerin in den meisten Fällen nicht glücklicher macht. Das liegt zum einen daran, dass Singles viel seltener Sex haben: Schon das Planen eines One-Night-Stands kann Stress bedeuten. Und zum anderen kann das Ergebnis selbst im Erfolgsfall ernüchternd sein. Die beste körperliche Sex-Akrobatik, der sportlichste Positionswechsel führt nicht unbedingt zu mehr Glück, wenn das Danach nicht passt. Wenn es keine körperlich-seelische Bestätigung eines Zustands gibt, den man unwissenschaftlich auch „Liebe“ nennen könnte.

Das gleiche gilt auch für Sex ohne Partner, sprich Masturbation. Auch sie wirkt sich nicht positiv auf das Glücksempfinden aus. Rein körperlich kann Masturbieren zwar dieselbe Wirkung haben wie Sex zu zweit. Aber auch hier fehlt der Austausch danach.

Sex mit einem Partner oder einer Partnerin ist also empfehlenswert für das Glück. Aber wie oft eigentlich? „Das stand zwar nicht im Mittelpunkt meiner Studie, aber unsere Ko-Autorin Amy Muise hat schon früher gezeigt, dass die optimale Häufigkeit bei ‚einmal pro Woche‘ liegt. Bis zu diesem Wert steigt das Wohlbefinden an. Wer öfter Sex hat, ist auch glücklich, aber das Glück steigert sich dann nicht mehr weiter. Es nimmt aber auch nicht ab. Insofern scheint es eine Art Glücksgrenze zu geben“, sagt Debrot.

Ein kuscheliges Hormon

Der Dreischritt laute: Sex mit Partner – mehr erlebte Zuneigung – mehr Glück. Ein Zusammenhang, der nicht nur tagesaktuell besteht, sondern auch langfristig. Für ihre Studie haben die Psychologinnen nach einem halben Jahr bei den Paaren noch einmal nachgefragt. Resultat: Je stärker Sex, Zuneigung und Glück zusammenhängen, desto zufriedener sind die Partner miteinander auch über diesen längeren Zeitraum.

Wie dieser Zusammenhang körperlich vermittelt wird, haben die Psychologinnen aktuell nicht untersucht. Es gibt aber einen üblichen Verdächtigen: das „Kuschelhormon“ Oxytocin. Ursprünglich war Oxytocin als Hormon bekannt, das bei Frauen in den Wehen und beim Stillen auftritt. Mittlerweile gilt es als „das“ Liebeshormon.

Es soll nicht nur die Bindung zwischen Mutter und Kind stärken, sondern auch das zwischen Partnern – und etwa beim Kuscheln und Küssen ausgeschüttet werden. Diese körperlichen und seelischen Umarmungen sind es jedenfalls, die erklären, warum Sex glücklich macht.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

Mehr zu dem Thema: