Vorsorgeprogramm hat noch Mängel

Im österreichischen Früherkennungsprogramm für Brustkrebs gibt es noch „viel Luft nach oben“, was die Beteiligung der Frauen und die Dokumentation der Ergebnisse betrifft. Das ist das Ergebnis der Evaluation des Projekts für die ersten beiden Jahre (2014/2015).

„Mit einer Teilnahmerate von knapp 37 Prozent ist natürlich Luft nach oben da“, sagt die Leiterin des Brustkrebs-Früherkennungsprogramms, Romana Ruda, anlässlich der Präsentation des Berichts.

Als klares Positivum nannte sie die Organisation mit Freischaltung der E-Card für die Untersuchungen alle zwei Jahre für die 45- bis 69-Jährigen, Einladungs- und Erinnerungsbriefen alle zwei Jahre sowie die technische und organisatorische Qualitätssicherung. Alle Erstbefunde werden auch unabhängig voneinander von zwei Radiologen beurteilt. „Das Programm läuft meines Erachtens sehr stabil.“

Zu niedrige Beteiligung

Vor 2014 hatten vor allem die Gynäkologen und die Hausärzte die Frauen zu den Früherkennungsmammografien geschickt bzw. die Frauen waren selbst zu den Radiologen gegangen, manche gar nicht, viel zu selten oder zu oft. Nun erfolgen die Untersuchungen innerhalb des strukturierten Programms.

Grafik zum Brusrkrebsscreening

APA/BMGF

In den beiden Jahren seit dem Start des österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms Anfang 2014 haben knapp 37 Prozent der Frauen zwischen 45 und 69 Jahren teilgenommen. Frauen ab 40 und ab 70 können sich ebenfalls für die Untersuchungen anmelden. Von den 642.314 Früherkennungsmammografien entfielen 84 Prozent auf die Kernzielgruppe. 64 Prozent erhielten beim ersten Termin auch eine Ultraschalluntersuchung.

Anderes System

Radiologen hatten bereits 2015 auf sinkende Beteiligungszahlen hingewiesen. Magdalena Arrouas, Sektionsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, zu der aktuellen Teilnahmerate: „Durch das Programm hat ein Systemwechsel stattgefunden. Das bedeutet am Anfang Anlaufschwierigkeiten.“

Früherkennung sei bei Brustkrebs jedenfalls sehr wichtig: „Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen. (...) Das Programm hat sich im Wesentlichen sehr gut eingespielt. Die Teilnahmerate von mehr als 36 Prozent ist im internationalen Vergleich (kurz nach dem Start, Anm.) ein gutes Ergebnis.“

Fehlende Dokumentation

Massiv im Hintertreffen ist das Programm aber bei der Dokumentation und der Auswertung. D. h., man weiß nicht, ob es sich auf die Entdeckung von Mammakarzinomen im früheren Stadium (kleinere Primärtumore) auswirkt, ob dadurch schonenderer Therapien möglich sind und ob die Mortalität sinkt. Das gilt auch für die Rate falsch positiver Befunde und damit potenziell unnötiger Biopsien etc. Das Manko trifft auch die Klärung der Frage, ob mit dem Programm sozial benachteiligte Frauen vermehrt zur Mammografie-Untersuchung gehen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 5.4. um 12.00 Uhr.

„Für 74,6 Prozent der erwartbaren Abklärungsuntersuchungen (nach anfänglichem Verdacht, Anm.) der Jahre 2014 und 2015 fehlt jede weiterführende Dokumentation“, stellten die Autoren des Reports von der Gesundheit Österreich GmbH fest. „Weil die Daten der Abklärungsuntersuchungen fehlen, kann der Nutzen versus den möglichen Schaden derzeit nicht ausreichend geklärt werden“, sagte Eva-Maria Kernstock (GÖG). Für das Programm wurden insgesamt rund elf Millionen Euro aufgewendet.

Noch viel zu tun

„Es ist ein System, mit dem man weiter machen muss und sollte. Es ist aber noch viel zu tun, um ein adäquates Ergebnis zu erreichen“, sagte der Wiener Spezialist Heinz Kölbl (Universitäts-Frauenklinik AKH/MedUni Wien). Die Beteiligungsrate der Hauptzielgruppe der Frauen zwischen 45 und 69 Jahren von rund 37 Prozent in den ersten beiden Jahren dürfe hingegen nicht überraschen, weil es zu einem völligen Systemwechsel gekommen sei. Was an den Spitalsabteilungen völlig fehle, sei das Personal für die immer intensiver werdende Dokumentationsarbeit. Das zeige sich beim Fehlen der entsprechenden Dokumentationsdaten im Rahmen des Brustkrebs-Früherkennungsprogrammes.

Ähnlicher Meinung ist auch der Wiener Gynäkologe und Präsident der Österreichischen Krebshilfe, Paul Sevelda: „Man hat überhaupt nicht mitgedacht, wie die Evaluierung des Programms durchgeführt werden sollte. Das hat die Bundesgesundheitskommission (im Jahr 2011, Anm.) beschlossen. Aber getan hat sich nichts.“

Einheitliches Dokumentationssystem fehlt

Der offenbare Fehlschlag bei der Erhebung der für die Rechtfertigung des Brustkrebs-Früherkennungsprogramms entscheidenden Daten (Diagnosen in früherem Stadium, erfolgte invasive diagnostische Schritte, falsch positive Befunde etc.) sei darauf zurückzuführen, dass man das einfach an die Assessment-Center (zumeist Spitalsabteilungen) einfach weitergegeben habe.

Sevelda, selbst Abteilungsvorstand am Krankenhaus Hietzing in Wien: „Die Spitalsabteilungen dokumentieren schon für das Krankenhaus selbst, im Rahmen der Tumor-Boards und für die Statistik Austria.“ Und dann sei eben die vierte Dokumentation noch zusätzlich verlangt worden, statt bei der Gelegenheit der Einführung des Mammografie-Screenings alle diese parallel laufenden Arbeitsabläufe zu einem einzigen System zusammenzufassen. Da seien auch innovative IT-Lösungen gefragt. Auch bei der Pressekonferenz am Mittwoch wurde erklärt, dass die Zersplitterung der Zuständigkeiten im österreichischen Gesundheitswesen in dieser Hinsicht zuschlage.

Vergleich mit Deutschland

Das seit 2005 laufende deutsche Mammografie-Programm brachte es nach rund zehn Jahren landesweit auf eine Beteiligungsrate von 54 Prozent, wie Vanessa Kääb-Sanyal der Kooperationsgemeinschaft darstellte, welche für dieses Projekt verantwortlich ist. Auffällig sei in Österreich die hohe Ultraschallrate. Beim Anteil der Biopsien nach Mammakarzinomverdacht liegt Österreich mit 1,1 Prozent auf ähnlichem Niveau wie Deutschland. Für Tirol, das schon länger ein solches Programm besitzt, lässt sich sagen, dass etwa doppelt so viele Mammakarzinome im Rahmen des Screenings entdeckt werden, als sonst binnen zwei Jahren entdeckt würden.

Aus Deutschland liegen laut Kääb-Sanyal seit Kurzem erste handfeste Daten zur Erkennung von Tumoren in einem früheren Stadium vor: „Der Anteil der Tumoren mit einer Größe von mehr als zwei Zentimetern und Lymphknotenbefall ist in Deutschland von 55 Prozent auf 20 Prozent zurückgegangen.“

science.ORF.at/APA

Mehr zum Thema