Wie Menschen das Erbgut der Pferde veränderten

Schon vor über 5.000 Jahren haben die Menschen begonnen, Pferde zu zähmen. Wie stark das ihr Erbgut verändert hat, zeigt eine neue Studie. Im Mittelpunkt: die Pferdezucht der Skythen – eine der ersten Kulturen, die auf Pferden ritt.

Das nomadische Reitervolk lebte etwa vom neunten bis ersten Jahrhundert v. Chr. in den Steppen Zentralasiens. „In unserer Arbeit wollten wir über den Mythos der Skythen als aggressive Krieger, die das Blut ihrer Feinde aus Schädelpokalen tranken, hinausgehen“, sagt Ludovic Orlando, Studienautor und Geogenetiker an der Universität Kopenhagen. „Wir wollten zeigen, welch außergewöhnliche Beziehungen sie mit ihren Pferden entwickelt haben.“

Die Forscher und Forscherinnen analysierten deshalb das Erbgut aus Pferdeknochen, die aus skythischen Königsgräbern in Russland und Kasachstan stammten. Anhand der Überreste von 13 Hengsten, die vor etwa 2.300 bis 2.700 Jahren lebten, konnten sie so feststellen, welche Eigenschaften die Skythen bei ihren Pferden bevorzugten. Zusätzlich untersuchten sie eine 4.100 Jahre alte Pferde-DNA, die aus der Sintaschta-Kultur stammt – eine Kultur, die die ersten Streitwägen entwickelt hat, die von Pferden gezogen wurden.

Skythische Begräbnisstätte im heutigen Sibirien mit Pferdeskeletten

Michael Hochmuth, Deutsches Archäologisches Institut, Berlin

Skythische Begräbnisstätte im heutigen Sibirien mit Pferdeskeletten

Robuste Statur, viele Farben

Insgesamt identifizierte das Forscherteam 121 Gene, für die die Skythen bei der Zucht offenbar selektionierten. Die meisten davon stehen mit der Entwicklung der Vorderbeine in Verbindung, die Skythen achteten somit auf eine robuste Statur der Pferde. Auch zeigte sich, dass die skythischen Hengste vielfältige Fellfarben hatten, darunter Schwarz, Braun, Fuchs, Palomino und Schecke.

Außerdem stießen die Forschenden auf eine Genvariante, die bei heutigen Rennpferden mit der Sprint-Leistung zusammenhängt. Neben Ausdauer war somit wohl auch Schnelligkeit auf kurzer Strecke für die skythischen Pferdezüchter wichtig.

Den Hengsten fehlte allerdings eine Genmutation für den Passgang, bei dem jeweils nur die Hufe einer Seite den Boden berühren, die Beine der jeweils anderen Seite aber in der Luft sind. Die skythischen Pferde waren somit keine natürlichen Passgänger.

Illustration: So könnte ein Pferd der Skythen vor 2.300 Jahren ausgesehen haben

Carla Schaffer / Zainolla Samashev / AAAS

Illustration: So könnte ein Pferd der Skythen vor 2.300 Jahren ausgesehen haben

Erbgut in den letzten 2.300 Jahren geprägt

Laut einer Studie deutscher Forscher aus dem Jahr 2016 ist die für den Passgang wichtige Genmutation wohl auch erst deutlich später entstanden: Der bisher früheste Nachweis gelang bei Pferden aus dem 9. Jahrhundert n. Chr in England.

Für die nun vorgestellte Studie verglichen die Wissenschaftler die alten Gensequenzen außerdem mit dem Erbgut heutiger Pferde, unter anderem mit 30 Schweizer Freibergern. „Der Vergleich der alten und modernen Gensequenzen zeigt, dass Merkmale wie die Fellfarbe schon viel früher in der Zucht eine Rolle spielten als ursprünglich angenommen“, erklärte Tosso Leeb, Genetiker an der Universität Bern und Studienautor.

Überdies waren die damaligen Pferde genetisch noch deutlich vielfältiger als die heutigen. Das Erbgut der modernen Pferde wurde hauptsächlich in den letzten 2.300 Jahren geprägt, schlussfolgern sie. „Heute tragen nahezu alle domestizierten Pferde dieselben, oder sehr ähnliche Y-Chromosom-Haplotypen, sind also fast alle miteinander verwandt“, sagte Leeb.

Pferde in der Mongolei heute

Sébastien Lepetz, CNRS

Pferde in der Mongolei heute

Bei Skythen größere Vielfalt

Als der Mensch vor über 5.000 Jahren begann, Pferde zu zähmen, gab es noch zahlreiche Abstammungslinien von Hengsten. Auch bei den skythischen Pferden zeigten sich noch eine große Vielfalt und kein Anzeichen für Inzucht wie bei heutigen domestizierten Vertretern. Die Skythen betrieben demnach noch keine starke Linienzucht, sondern erhielten natürliche Herdenstrukturen.

Dieser Verlust an Vielfalt ging zudem einher mit einer Zunahme krankmachender Genmutationen: „Durch die zunehmende Zucht in geschlossenen Populationen konnten sich einige krankheitsverursachende Mutationen anreichern und traten somit gehäuft auf“, so Leeb.

science.ORF.at/sda

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