Eugene Gendlin 90-jährig gestorben

Der Psychologe und Philosoph Eugene Gendlin ist am 1. Mai 90-jährig in den USA gestorben. Er wurde als Kind mit seiner Familie von den Nazis aus seiner Geburtsstadt Wien vertrieben und war Begründer der Focusing-Methode, einem psychotherapeutischen Verfahren

Eugene Gendlin habe durch seine psychologischen und philosophischen Forschungen einen „wesentlichen Beitrag zur modernen Psychotherapie geleistet“, erklärte Brigitte Pelinka von der Österreichischen Gesellschaft für wissenschaftliche und klientenzentrierte Psychotherapie und personenzentrierte Gesprächsführung (ÖGWG).

Körpergefühl im Zentrum

Am 25. Dezember 1926 in Wien geboren, musste Gendlin mit seiner jüdischen Familie 1938 vor den Nationalsozialisten über Holland in die USA flüchten. Er studierte in den 1950ern an der Universität Chicago bei Carl Rogers, dem Begründer der klientenzentrierten Therapie, wurde 1958 promoviert und schloss eine Psychotherapie-Ausbildung an.

In seiner Forschungsarbeit zeigte Gendlin, dass „die Fähigkeit von Klienten, durch die Psychotherapie eine anhaltende positive Veränderung zu bewirken, von ihrer Fähigkeit abhängig ist, Zugang zu einem non-verbalen, körperlichen Gefühl zu den Themen zu erlangen, die sie in die Therapie mitbringen“, wie es im Nachruf des von ihm gegründeten International Focusing Institute heißt. Gendlin bezeichnete dieses intuitive Körpergefühl als den „Felt Sense“, den gefühlten Sinn, und untersuchte, wie erfolgreiche Klienten Zugang dazu erhalten.

Sich selbst helfen

Aus diesen Beobachtungen entwickelte er das „Focusing“, das Körperempfindungen bei der Suche nach Quellen und Ursachen persönlicher Probleme einbezieht. Es handelt sich um eine „Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme“, wie der Untertitel seines 1978 veröffentlichten, meistverkauften Buchs heißt. In sechs Schritten beschreibt er darin, wie man seinen „Felt Sense“ entdecken und diesen für die eigene persönliche Entwicklung nutzen kann.

„Kein Fachmann kann unsere Probleme lösen oder uns vorschreiben, wie wir leben sollen. Deshalb habe ich mich - und auch andere Kollegen - immer mehr damit begnügt, den Leuten beizubringen, wie sie sich selbst und anderen helfen können“, sagte Gendlin einmal. 1985 gründete er das „Focusing Institute“, das eine Ausbildung in der von ihm entwickelten Methode anbietet.

Gendlin wurde u.a. mit dem „Charlotte und Karl Bühler Preis“ der American Psychological Association (APA) ausgezeichnet. 2007 erhielt er den „Großen Viktor Frankl Preis der Stadt Wien zur Förderung einer sinnorientierten humanistischen Psychotherapie“. Am 1. Mai ist er 90-jährig in Spring Valley im US-Bundesstaat New York gestorben, wie das Focusing Institute mitteilte.

science.ORF.at/APA