Erst im 20. Jahrhundert ins Stift gekommen

Sie haben viel Staub aufgewirbelt: Handschriften aus dem Jahr 800, die im steirischen Stift Admont gefunden wurden und zu den ältesten deutschen Schriftstücken zählen. In das Stift dürften sie aber erst im 20. Jahrhundert gekommen sein.

Dies schilderte Stiftsbibliothekarin Karin Schamberger am Montag gegenüber der APA. Bereits im Jahr 2012 habe der niederösterreichische Handschriftenexperte Martin Haltrich die beiden Pergamentblätter in der Fragmentesammlung des Stiftes entdeckt.

Schnell stand die Frage im Raum, ob es sich bei den handtellergroßen Schriftstücken, die lange Zeit als Füllmaterial in einem barocken Buchdeckel zweckentfremdet wurden, nicht überhaupt um eines der ältesten Fragmente in deutscher Sprache handeln könnte: Haltrich hatten die Dokumente an den sogenannten Abrogans erinnert - ein lateinisch-althochdeutsches Wörterverzeichnis aus der Karolingerzeit. Die drei bisher bekannten Abschriften aus dem 8. und 9. Jahrhundert werden heute in unterschiedlichem Blattumfang im Schweizer St. Gallen, in Paris und in Karlsruhe aufbewahrt.

frühmittelalterlichen Pergamentfragmente aus dem Stift Admont

APA/Stift Admont/ Enrique Pardo

Zehn Prozent der Wörter waren bisher unbekannt

Stephan Müller vom Institut für Germanistik der Universität Wien hat die Koordination der weiteren wissenschaftlichen Untersuchung des außergewöhnlichen Fundes übernommen und zuletzt rund ein Dutzend der weltweit führenden Spezialisten nach Admont eingeladen. Einigkeit besteht darüber, dass die beiden Admonter Blätter ebenfalls um 800 entstanden sind.

„Es scheint aber eine sehr eigenständige Bearbeitung des verloren gegangenen Ur-Abrogans zu sein, aus dem die übrigen erhaltenen Abschriften hervorgegangen sind“, hielt Schamberger im Rückblick auf das Expertentreffen fest. Auch dürften die Blätter nicht älter als das St. Gallener Exemplar sein, das als die bisher älteste Abschrift gilt. „Wir haben hier eine höhere Bearbeitungsstufe vorliegen“, so die Bibliothekarin.

Sendungshinweis

ORF TVhek: Sensationsfund im Stift Admont (ZIB 1, 12.5.)

Die Besonderheit der Admonter Fragmente besteht laut Stephan Müller darin, dass die lateinischen Wörter bereits in eine vollalphabetische Ordnung gebracht worden sind und dass auch neue, bisher unbekannte althochdeutsche Wörter enthalten sind. „Rund zehn Prozent der Wörter waren bisher unbekannt“, ging Schamberger ins Detail.

Bereits 1963 gefunden

Schamberger selbst versucht die Frage zu lösen, wie die Fragmente nach Admont gelangt sind: „Fest steht, dass sie 1963 im Buchdeckel des ’Secretarius“ - einer Anleitung zum Briefeschreiben aus dem Jahr 1794 - „gefunden wurden“, sagte Schamberger.

Seither wurden sie in der Fragmentesammlung verwahrt. Sicherlich wurden die karolingischen Handschriften nicht in Admont zur Verstärkung des Umschlags des Buches aus dem 18. Jahrhundert „verarbeitet“: „In Admont sind schon seit dem 16. Jahrhundert die Bücher außer Haus gebunden worden“, hat Schamberger recherchiert.

Forscher hält ein Fragment der Schriftstücke in der Hand

ORF

Auch sei der „Secretarius“ nicht für das Stift selbst renoviert worden: „Dann hätte er einen Ledereinband bekommen“, weiß die Stiftsbibliothekarin. Sie geht davon aus, dass der barocke Band mit den wertvollen Handschriftenfragmenten „wahrscheinlich aus einer der Pfarren“ den Weg ins Benediktinerstift genommen hat.

„Die Forschung geht weiter“, so Schamberger. Im kommenden Jahr will man die Ergebnisse publizieren. Zu diesem Zeitpunkt will man dann auch die beiden 1.200 Jahre alten Fragmente ausstellen.

Viele wertvolle Handschriften

Das Stift Admont befindet sich im Besitz von etwa 1.400 wertvollen Handschriften, von denen mehr als die Hälfte aus dem Mittelalter stammen. Die Anzahl der Inkunabeln, der bis zum Jahre 1500 gedruckten Bücher, beläuft sich auf 530 Stück.

Die Handschriften und die über 930 Frühdrucke sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts nicht im Bibliothekssaal aufgestellt. Heute befinden sie sich in klimatisierten Sicherheits-Depots. Die in Weiß und Gold gehaltenen Bücherschränke der spätbarocken Stiftsbibliothek sind mit etwa 70.000 Druckwerken gefüllt, die vom 16. Jhdt. bis Anfang des 20. Jhdts. erworben wurden.

science.ORF.at/APA

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